Bildungskonferenz 2011

Geld rollt weg – Bildung bleibt

Fachkräftemangel im (SHK-)Handwerk

Auch in diesem Jahr mussten viele Handwerksbetriebe wieder Kompromisse bei der Einstellung neuer Auszubildender eingehen. Schlechte Schulnoten, Defizite in Mathe und Deutsch aber auch unmögliche Umgangsformen sind nur einige Beispiele, die die Ausbildung von Jugendlichen negativ beeinflussen können. Dabei sollen gerade diese Lehrlinge die Fachkräfte von morgen bilden. Doch wie kann man dem Fachkräftemangel begegnen und welche Gründe sowie Lösungsansätze gibt es? Diesen Fragen ging die SHK Profi-Redaktion bei einem Besuch der Bildungskonferenz „Fachkräfte. Machen. Zukunft.“ vom 16. bis 17. November 2011 in Berlin nach.


Wichtiges Fachwissen geht mit Handwerkern und Firmeninhabern in den Ruhestand und den Betrieben verloren. Zurück bleibt eine Lücke. Die Branche hat den Fachkräftemangel erkannt, jedoch noch längst nicht gebannt. Aber was ist zu tun?

Früh übt sich

Im Rahmen einer Diskussionsrunde – auf der von der Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk (ZWH) organisierten Bildungskonferenz – setzte Cem Özdemir, Bundesvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen, in der Kindheit an. Er forderte, finanzielle Mittel nicht darin zu investieren, dass Eltern ihre Kinder zu Hause betreuen, sondern in die Qualität der KiTas und Ganztagsschulen. Zu oft s, so Özdemir, werde die natürliche Neugierde und Wissbegierde von Kindern erstickt. Man müsse sie erhalten und fördern, um Interessen und damit eine Berufsorientierung auszubilden und die Lust am Lernen zu bewahren. Diese Aussage stützte auch Prof. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), mit ihrem Hinweis, dass der Anteil kognitiver Analphabeten der 15-jährigen Jungen bei 24 % liege. Jugendliche wüssten zu wenig über ihre Möglichkeiten, so Holger Schwannecke­, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), hierfür müsse jedoch bei Lehrern und Schülern angesetzt werden, um die 22 % Abbrecher geschlossener Ausbildungsverträge zu verringern. Unternehmen und Wirtschaft müssen an die Schulen und Informationsarbeit leisten. Gerd Hoofe, Staatssekretär beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), betonte im Rahmen dieser Diskussion, dass es sich um einen langwierigen Prozess handle und forderte zusätzliche Berufseinstiegsbegleitung.

Dr. Volker Born (ZDH) führte an, Jugendliche aus der „eigenen Jugend“ zur Fachkräftesicherung vorzusehen, habe Grenzen. Der Trend ginge zu höheren Schulabschlüssen, Ziel müsse sein, „qualitativ für die Berufliche Bildung zu werben“. Dabei widersprechen sich höhere Abschlüsse und Handwerk nicht. Wo gibt es sonst die Möglichkeit mit handwerklichem Know-how und zusätzlicher Qualifikation die Geschicke­ eines Betriebs mit zu leiten bzw. sich als Nachfolger zu empfehlen.

Auf der Bildungskonferenz wurde auch das Image-Problem des Handwerks deutlich. Prof. Dr. Volker Gehrau (Universität Münster) zeigte, dass das Handwerk in der TV-Welt kaum Erwähnung findet, zudem seien Vorurteile sowie der geringe Bekanntheitsgrad verschiedener Gewerke ein Problem. Eine Studie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster belegt sogar die verzerrte Wahrnehmung, die die Medien unterstützen. Dieser Überblick zum komplexen Problem des Fachkräftemangels zeigt, dass an allen Seiten gearbeitet werden muss.

Schulen und soziale Netzwerke

Doch was kann das Handwerk aktuell tun? Wir können den Jugendlichen dort begegnen, wo sie sich aufhalten, in den Schulen – das ist unabdingbar, allein auch um Lehrkräfte und Eltern auf einen aktuellen Stand zu bringen, veralteten Vorstellungen oder schlichtweg Unwissenheit über Berufsbilder entgegenzuwirken und Schule und Wirtschaft zusammenzubringen. Auch in sozialen Netzwerken, wie facebook und Co., schlummern kostengünstige Möglichkeiten. Machen Sie publik, was das Besondere am SHK-Handwerk ist, beantworten Sie Fragen, sorgen Sie dafür, dass Azubis Azubis werben und auf diesem Wege kostenlos für Ihr Handwerk und Ihr Unternehmen geworben wird, wecken Sie das Interesse der Jugendlichen. Der Aufwand könnte sich rechnen – was Sie an Broschüren oder Werbekosten einsparen, könnten Sie in diese „persönlichere“ Kontaktaufnahme investieren. Soziale Netzwerke fungieren als Informationsplattform, schließlich ist keinem Unternehmen damit geholfen, Azubis einzustellen, die sich mit dem realistischen Stellenprofil nicht vertraut gemacht haben. Noch viel zu wenig werden einschlägige Online-Portale von Schülern genutzt, um sich bei der eigentlichen Berufsorientierung zu finden. Die meisten Jugendlichen geben an, sich im Internet über Berufe, Stellenangebote etc. zu informieren, dennoch sind Portale wie www.girls-day.de, www.beroobi.de, www.taste-for-girls.de oder www.planet-beruf.de, um nur einige zu nennen, weitgehend unbekannt. Noch immer finden sich auch viel zu wenig Mädchen im Handwerk wieder.

„Werkstatt-Camps“

Eine attraktive und anschauliche Unterstützung bei der Berufsorientierung, Berufswahl sowie der expliziten Stellensuche bietet beispielsweise die Handwerkskammer Karlsruhe. Im Rahmen der Bildungskonferenz präsentierten Dr. Patrick Jakob und Hans Schmeiser in ihrem Beitrag „Fachkräfte frühzeitig entwickeln – Eine neue Strategie der Bildungsakademie der Handwerkskammer Karlsruhe“ anschaulich und erfolgversprechend, wie die Ideen in die Tat umgesetzt werden können. Sie verfolgen aktiv das Ziel, fehlenden und eingeschränkten Berufskenntnissen vorzubeugen, die Attraktivität von Berufen zu steigern und veraltete Vorstellungen bei Lehrern und Eltern aufzubrechen.

Im Rahmen sogenannter „Werkstatt-Camps“ bieten sie Schülern die Möglichkeit, aktiv Erfahrungen zu sammeln, einen Vorstellungsabgleich mit der Realität des Berufsalltags anzustellen und den Eltern die geschaffenen Projektergebnisse vorzustellen. Mit Erfolg: Von 29 Schülern aus dem dreiwöchigen Sommerkolleg wurden bereits elf, noch vor Ablauf des Projekts, in ein Ausbildungsverhältnis vermittelt. Als Perspektiven und mittelfristige Zielvorgaben führten die Referenten Fortbildungsseminare für Lehrer, Workshops und Veranstaltungen für Eltern außerhalb des Lernorts Schule sowie die Bildung regionaler Netzwerke mit den staatlichen Schulämtern auf behördlicher Ebene an.

Eine Zusammenarbeit zwischen Handwerk, Schulen und Eltern sowie Schülern ist eine unabdingbare Basis, um bei der Berufsorientierung zu unterstützen, Perspektiven zu zeigen und zukünftige Fachkräfte zu werben.

Fazit

Dirk Palige, Geschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) und Vorstandsvorsitzender der ZWH, machte deutlich, dass Bildung als lohnenswerteste Investition zu sehen sei und die Wirtschaft durch Fachkräfte wettbewerbsfähig bleibe. Dabei brachte er seinen Standpunkt mit einem Heinrich Heine-Zitat auf den Punkt: „Geld rollt weg. Bildung bleibt.“!

Als Fazit für unser Gewerk lässt sich festhalten, dass das Klagen über den Fachkräftemangel nicht dazu führen darf, den Schwarzen Peter anderen in die Schuhe zu schieben, das wäre zu einfach.

Das Handwerk steht für Tatendrang! Darum darf auch diese Problematik nicht allein der Verantwortung von Behörden, Anstalten und Politik überlassen werden. Das Handwerk muss selbst mit anpacken. Wenn man qualifiziert sucht, kann man auch qualifizierte Lehrlinge finden, die sich zu herausragenden und motivierten Fachkräften entwickeln können – mit der entsprechenden Unterstützung.

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