Gute Wärmebilder

Thermografie will gelernt sein

Wärmebildkameras haben sich in den letzten Jahren in vielen beruflichen Umfeldern verbreitet. Ihre Handhabung ist einfach, ein Wärmebild ist schnell gemacht. Dieses wird dann ebenso schnell einem Untersuchungsbericht, z.B. über die Untersuchung eines Gebäudes, als Nachweis der durchgeführten Arbeit oder gefundener Fehler und Abweichungen beigefügt. Gerne wird dabei vergessen, dass ein Bild, das als Nachweis oder gar Beweis, etwa vor Gericht, dienen soll, bestimmten Anforderungen standhalten muss. Mit einem schnellen Schnappschuss ist es nicht getan, doch was macht nun ein gutes Wärmebild aus? Autorin Christiane Buchgeister ist Referentin am Schulungscenter ITC des Wärmebildkamera-Herstellers Flir und gibt hier Einblicke, was bei der Thermografie beachtet werden sollte.

Während der praktischen Übungen in unseren Thermografieschulungen stelle ich immer wieder fest, wie schwer sich manche Teilnehmer tun, ihre Kamera optimal für die jeweilige Aufgabe einzustellen. Nicht jeder hat einen Hintergrund als Hobbyfotograf und um ein gutes und aussagekräftiges Wärmebild aufzunehmen, sind sowohl Hintergrundwissen als auch dessen praktische Anwendung wichtig. Somit ist es nicht verwunderlich, dass immer wieder Berichte mit Wärmebildern produziert werden, die jeder Aussage entbehren oder gar falsche Rückschlüsse untermauern und eigentlich nur für den Papierkorb geeignet sind. Erschreckenderweise finden sich solche Berichte nicht nur in kleinen Firmen, in denen die Thermografie nur eine begleitende „Nice to have“ Funktion erfüllen, sondern auch in großen Betrieben, bei denen diese Berichte Bestandteil z. B. der Prozesskontrolle sind. Ich sehe vor allem zwei mögliche Ursachen dafür: Entweder weiß der Anwender es nicht besser oder es wird – aus welchen Gründen auch immer – nicht sorgfältig gearbeitet.

Ein gutes Bild

Einer befreundeten Profi-Fotografin habe ich die Frage gestellt, was ihrer Ansicht nach ein gutes Bild kennzeichnet. Sie nannte drei Punkte als die Wichtigsten:

Es muss etwas anrühren, d.h. es muss ungewöhnlich, auffällig, oder besonders sein, das Interesse und je nach Genre auch Gefühle weckt.

Die Komposition und das Gleichgewicht müssen stimmen, Bildausschnitt und -inhalt müssen ästhetisch zusammenpassen.

Die Belichtung muss interessant sein, entweder ein Gegenlicht oder schattenwerfendes Seitenlicht, Abendlicht oder angenehm ausgeleuchtet – einfach passend zur Gesamtaussage.

Was hat das mit Thermografie zutun?

Das Motiv soll auch beim Thermografieren interessant sein, oder etwas umformuliert – wir haben Interesse an einem Objekt oder dessen Zustand, welcher abgebildet werden soll. Emotionen sind eher nicht gefragt –im Wärmebild stehen Fakten im Vordergrund, sofern es sich nicht um Kunstprojekte handelt. Im Arbeitsalltag geht es um die deutliche Darstellung von Wärmemustern und die Möglichkeit der Temperaturmessung. Auch das Thermogramm muss einen geeigneten Bildausschnitt aufweisen und das Objekt in geeigneter Größe und Position abbilden.

Ohne Belichtung ist visuelles Sehen und auch das Fotografieren nicht möglich, da hierbei Reflexionen wahrgenommen werden. In der Thermografie nimmt die Kamera sowohl emittierte als auch reflektierte Strahlung auf. Somit ist das Verhältnis und die Intensität sowohl der vom Objekt abgegebenen, als auch der aus der Umgebung stammenden Infrarotstrahlung wichtig. Helligkeit und Kontrast im Bild werden durch Anpassen des gezeigten Temperaturintervalls angepasst. Auf einige Schlagwörter reduziert lässt sich der Vergleich von Fotografie und Thermografie in einer Tabelle zusammenfassen (siehe Tabelle).

Wie in der Fotografie gibt es auch in der Thermografie zahlreiche Möglichkeiten ein aufgenommenes Bild nachzubearbeiten, sofern es als radiometrisches Bild gespeichert wurde. Doch nicht alle Einstellungen sind veränderbar und somit sind auch nicht alle Aufnahmefehler reparabel.

Die drei Unveränderlichen  – Grundlagen

1. Fokus

Ein professionelles Wärmebild ist immer fokussiert und scharf. Das Objekt und das Wärmemuster müssen klar und deutlich zu erkennen sein.

Ein unscharfes Wärmebild wirkt nicht nur unprofessionell und erschwert die Identifizierung des Objektes und der Fehlerstelle, es verursacht zudem Messfehler, die umso gravierender sind, je kleiner das Messobjekt ist.
Auch wenn alle anderen Parameter richtig eingestellt sind, werden die Messwerte eines nicht fokussierten Wärmebildes mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch sein.

Selbstverständlich spielt auch die Größe der Detektormatrix bei der Bildqualität eine Rolle. Bilder von Kameras mit kleineren Detektoren (d.h. mit weniger Pixeln) sind unschärfer oder „grober“ und es entsteht leicht der Eindruck, sie seien nicht fokussiert. Dabei ist auch zu beachten, dass nicht jede Kamera fokussiert werden kann, und in diesem Falle der Abstand vom Objekt die einzige Fokussiermöglichkeit darstellt.

2. Temperaturmessbereich

Bei handgehaltenen ungekühlten Mikrobolometerkameras ist die „Belichtungszeit“ durch die Bildwiederholfrequenz sozusagen voreingestellt. Somit kann nicht frei gewählt werden wie lange, und damit wie viel, Strahlung auf den Kameradetektor fällt. Deshalb muss ein passender Temperaturmessbereich gewählt werden, der der einfallenden Strahlungsmenge entspricht. Bei Auswahl eines zu niedrigen Temperaturmessbereichs wird das Bild übersättigt, da Objekte höherer Temperatur mehr Infrarotstrahlung abstrahlen als kältere Objekte. Wird ein zu hoher Temperaturmessbereich gewählt, ist das Wärmebild sozusagen „unterbelichtet“ und wird undeutlich.

Für eine Aufnahme bzw. Temperaturmessung sollte daher der niedrigste in der Kamera verfügbare Temperaturmessbereich gewählt werden. Gleichzeitig muss dieser die höchsten Temperaturen im Bild abdecken.

Je nach Kameramodell und Einstellungsmöglichkeiten können über- bzw. untersteuerte Bereiche auch mit einer Kontrastfarbe angezeigt werden.

3. Bildausschnitt & Objektabstand

Der Ausleuchtung in der Fotografie entspricht das Zusammenspiel von Objektstrahlung und reflektierter Umgebungsstrahlung, wobei letztere stört und zumindest Punktreflexionen vermieden werden sollten. Dies geschieht durch Aufsuchen einer geeigneten Aufnahmeposition. Diese sollte auch so gewählt sein, dass auf dem Bild das Objekt von Interesse zu sehen ist und nicht verdeckt wird. Dies mag selbstverständlich erscheinen, doch gerade im Gebäudebereich habe ich schon viele Berichte gesehen, in denen die zu untersuchenden Leitungen oder Fenster von Sofas, Zimmerpflanzen oder Gardinen verdeckt waren.

Wichtig ist auch, dass das zu untersuchende Objekt, bzw. die relevanten Bereiche, das Wärmebild ausfüllen. Dies gilt vor allem bei der Temperaturmessung von kleinen Objekten. Der Messfleck eines einzelnen Detektors muss vom Objekt vollständig ausgefüllt sein, um korrekte Temperaturmessung zu ermöglichen. Da das Bildfeld und damit die Messfleckgröße durch die Entfernung zum Objekt und die Optik definiert sind, muss in diesen Fällen der Abstand zum Objekt verringert werden („näher ran!“) oder ein Teleobjektiv gewählt werden.

Die Veränderlichen – Bildoptimierung und Temperaturmessung

1. Level und Span

Nach der Wahl des geeigneten Messbereiches  erfolgt die Feinjustierung von Kontrast und Helligkeit im Wärmebild durch das Anpassen des angezeigten Temperaturintervalls. Im manuellen Modus können die in der Palette verfügbaren Falschfarben gezielt auf die Temperaturen des Objektes von Interesse verteilt werden. Im automatischen Modus wählt die Kamera dagegen die kälteste und wärmste scheinbare Temperatur im Bild als untere und obere Grenze des momentan angezeigten Temperaturintervalls.

Eine gute, d.h. problemspezifische Skalierung des Wärmebildes ist ein wesentlicher Schritt bei der Interpretation des Bildes und wird leider häufig unterschätzt!

2. Paletten und Isotherme

Paletten stellen Intervalle mit jeweils gleichen scheinbaren Temperaturen in unterschiedlichen Farben dar. Sie übersetzen also eine bestimmte Strahlungsintensität in eine spezifische Farbe. Häufig verwendete Paletten sind die Grau-, Eisen- und Regenbogenpalette. Grautöne sind besonders geeignet, um kleine geometrische Details aufzulösen aber weniger gut für die Anzeige kleiner Temperaturunterschiede. Die Eisenpalette ist sehr intuitiv und damit auch für Laien leicht zu verstehen. Sie bietet eine gute Balance zwischen geometrischer und thermischer Auflösung. Die Regenbogenpalette ist bunter und wechselt zwischen dunklen und hellen Farben. Dadurch ergibt sich ein starker Kontrast, welcher bei Objekten mit unterschiedlichen Oberflächen oder vielen unterschiedlicher Temperaturen zu einem sehr unruhigen Bild führen kann.

Die Isotherme ist eine Messfunktion, die ebenfalls ein bestimmtes Intervall gleicher scheinbarer Temperatur, bzw. Strahlungsintensität in einer – von den Palettenfarben abweichender – Farbe darstellt. Mit ihr können Wärmemuster im Bild noch deutlicher hervorgehoben werden.

3. Objektparameter

Nicht nur das Wärmebild und seine visuelle Darstellung können bei radiometrisch gespeicherten Bildern nachbearbeitet werden. Es ist auch möglich, die Einstellungen zu ändern, die relevant für die Berechnung der Temperaturen sind. Für die Praxis heißt das, dass z.B. der Emissionsgrad und die reflektierte scheinbare Temperatur im Nachhinein geändert werden können.  Sollte man feststellen, dass diese Parameter falsch eingestellt waren oder möchte man später weitere Messpunkte auf anderen Oberflächen hinzufügen, so werden die Temperturmesswerte im Bild den Änderungen entsprechend neu und richtig berechnet.

Aufnahme - TIPPS für die Praxis

Die folgende Liste sammelt einige Hinweise für die Praxis. Bitte beachten Sie, dass sie jedoch keine vollständige Verfahrensbeschreibung darstellt. Vergewissern Sie sich, dass die Kamera radiometrische Bilder aufnimmt.

Wählen Sie eine geeignete Aufnahmeposition:

Beachten Sie die Strahlungsverhältnisse.

Überprüfen Sie, dass das Objekt frei sichtbar ist und in angemessener Größe und Position abgebildet wird.

Überprüfen Sie den Temperaturmessbereich und achten Sie darauf, dass er weiterhin passend gewählt ist, falls Sie den Emissionsgrad ändern.

Fokussieren Sie.

Verwenden Sie ein Stativ für eine Aufnahme ohne Verwackeln.

Führen Sie eine thermische Bildoptimierung durch

Notieren Sie Objektbezeichnung, Objektgröße, tatsächliche Entfernung, Umgebungsbedingungen und Betriebsbedingungen.

Das Bearbeiten des Wärmebildes ist am Einfachsten im gespeicherten oder „eingefrorenen“ Bild. Da Sie also nicht alles direkt vor Ort machen müssen, können Sie Gefahrenbereiche direkt nach der Aufnahme schnell verlassen. Nehmen Sie, wenn möglich, lieber einige Bilder mehr auf als eines zu wenig – auch aus unterschiedlichen Richtungen. So können Sie später bei der Auswertung in Ruhe das Beste aussuchen.

Fazit

Um ein gutes Wärmebild aufzunehmen bedarf es keiner Zaubertricks. Solides Handwerk und sauber ausgeführte Arbeit reichen aus. Viele der erwähnten Punkte mögen trivial klingen und – vor allem Hobbyfotografen – schon lange bekannt sein. Selbstverständlich spielt die Ausrüstung eine gewisse Rolle. Mit besseren sprich hochauflösenden Kameras können auch kleine Abweichungen schnell lokalisiert werden und ohne Fokussierungsmöglichkeit ist es schwieriger ein scharfes Bild aufzunehmen. Dennoch sind hochwertige Kameras keine Garantie für gute Bilder, wenn schlecht gearbeitet wird. Die Grundlage für gutes und professionelles Arbeiten sind Ausbildung und Training im Bereich Thermografie, Austausch mit anderen Thermografen und natürlich die eigene praktische Erfahrung.

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