Netzwerke in der Gebäudesanierung

Potentiale in der Praxis Vor- und Nachteile von Netzwerken Rahmenbedingungen bei Kooperationen

Energieeffiziente Gebäudesanierung ist das Ergebnis vieler, gut koordinierter Maßnahmen. Daher ist in diesem Bereich die interdisziplinäre Zusammenarbeit besonders wichtig. Umfassende gewerkeübergreifende Maßnahmen erfordern ein neues Denken und Handeln.

„Gewerkeübergreifende Zusammenarbeit mit anderen Betrieben? Das hat es bei uns bisher noch nicht gegeben und wir sehen keinen Anlass, das in Zukunft zu ändern.“ So denken längst nicht alle, aber es sind noch immer viele. Das hier skizzierte Denken wird jedoch den neuen und steigenden Qualitätsanforderungen für energieeffiziente Sanierungen immer weniger gerecht. Arbeitsabläufe ändern sich, erfordern eine ständige Weiterbildung in einer dynamischen Umwelt und eine wachsende Kooperationsbereitschaft. Während die einzelnen Gewerke „ihre“ Maßnahmen früher alleine durchführten, sind heute oft bereits vor der Angebotsphase verschiedene Fachakteure eingebunden. Potentielle Auftraggeber kann so etwas überfordern, wenn Netzwerke aus unterschiedlichen Akteuren ihnen nicht einen Teil der organisatorischen Arbeit abnehmen und Unterstützung bieten.

Selbst aus einer angeblich einfachen Sanierung wie einem Fensteraustausch wird in der heutigen Zeit sehr schnell eine umfassende Maßnahme mit vielen Beteiligten. So führt der erste Schritt vieler Immobilienbesitzer vor einer Sanierung oftmals zu einem Energieberater, der sie über die Möglichkeiten verschiedener Sanierungsmaßnahmen informiert und Förderprogramme vorschlägt. Auf dieser Basis treffen Immobilienbesitzer dann ihre Entscheidungen, die wiederum Einfluss auf die konkret anzugehenden Arbeiten und die Angebotsgestaltung derjenigen Betriebe haben, die um ein Angebot gebeten werden.

Viele Sanierungsschritte

Bleiben wir beim hier beispielhaft gewählten Fensteraustausch. Der Immobilienbesitzer beantragt eventuell Fördergelder für die Maßnahme. Sind die bewilligt, gehen gut qualifizierte Handwerker ans Werk. Sie müssen eventuell mögliche Wärmebrücken nachweisen und beim Fenstereinbau spätere Dämmmaßnahmen und deren Anschlüsse berücksichtigen. Zusätzlich sind bisweilen Lüftungskonzepte nach DIN 1946-6 sowie lüftungstechnische Maßnahmen notwendig. Als Qualitätssicherung folgt dann nach Abschluss des Fensteraustausches beispielsweise noch eine Blower-Door-Untersuchung und ganz am Ende muss noch zum Erhalt der Fördergelder die richtige Durchführung der Maßnahmen bestätigen werden.

Sämtliche Arbeiten im Zusammenhang mit der Sanierung sind damit aber noch immer nicht abgeschlossen. Da der Wärmeverlust durch die Fenster vor der Sanierung möglicherweise sehr groß gewesen ist, ist die eingestellte Leistung der Heizungsanlage nach der Sanierung zu hoch und muss angepasst werden. Fachleute sollten also die Heizungsanlage überprüfen, bei Bedarf die Steuerung anpassen und einen hydraulischen Abgleich durchführen. Und so wird bereits aus dem „einfachen“ Fensteraustausch eine Maßnahme, an der Energieberater, Finanzierungsexperten, Fensterbauer, SHK-Betriebe und Qualitätssicherer beteiligt sind.

Überforderung

Wie das Beispiel zeigt, wird eine Sanierung für einen Auftraggeber schnell zu einem Mammutprojekt, das er mitunter alleine kaum noch bewältigt. Möchte er die Sanierung selbst organisieren, ist der Aufwand für Organisation und Kommunikation aufgrund der vielen beteiligten Akteure teils so immens, dass sich manch ein Immobilienbesitzer deswegen gegen eine Sanierung entscheidet. Das kann kaum im Sinne der Handwerksbetriebe sein. Trotz der etwa 6000 Förderprogramme in Deutschland, trotz niedriger Kreditzinsen von 1 % mit zusätzlichen Erleichterungen wie dem Tilgungszuschuss bei der KfW und trotz der aktuellen Rekordenergiepreise sowie einer Informationsüberflutung zum Thema „energetische Sanierung“ passiert tatsächlich relativ wenig im Markt.

Netzwerke nutzen?

Netzwerke mit Akteuren aus verschie­denen Gewerken können den organisato­r­ischen Aufwand einer Sanierung für den Immobilienbesitzer deutlich verringern. Sie nehmen koordinierende Arbeiten ab, stehen für Qualität und erhöhen auf diese Weise die Bereitschaft, eine Sanierung anzustoßen. Es lässt sich nachweisen, dass die Sanierungsraten im Einzugsbereich aktiver Netzwerke über dem Bundes­durch­schnitt liegen. Das bedeutet auch, dass bestenfalls jedes einzelne Netzwerk-Mitglied aufgrund steigender Auftragszahlen vom Netzwerk profitiert. Dennoch sollten sich Handwerksbetriebe nicht unüberlegt in irgendein Netzwerk stürzen oder kopflos in die Planung eines eigenen Netzwerks einsteigen. Netzwerke haben viele Vorteile, aber auch einige mögliche Nachteile. Man muss abwägen, was mehr zählt.

Vorteile von Netzwerken

Es gibt zahlreiche gute Gründe für die Gründung eines Netzwerks. Die Motivation kann etwa im Wunsch nach einem gemeinsamen Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen liegen. Möglicherweise steht auch die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit oder eine verbesserte Qualität von Angeboten im Vordergrund. Sieht man die Sache aus dem Blickwinkel der energieeffizienten Gebäudesanierung, dann stehen all diese Ziele gemeinsam an oberster Stelle.

Netzwerke:

bieten die Möglichkeit gemeinsamer Weiterbildung.

bündeln Wissen und Erfahrungen.

stärken die Marktposition und setzen neue Qualitätsmaßstäbe.

lösen Lerneffekte aus.

erhöhen die Problemlösungskapazität der Beteiligten.

bieten konstante Leistung durch gegenseitige Unterstützung.

ermöglichen gewerkeübergreifenden Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch.

nutzen Synergien.

schaffen neue Räume für Angebote und Innovationen.

erschließen neue Marktpotentiale.

sichern Wettbewerbsvorteile.

ermöglichen ein breiteres Auftreten durch gemeinsames Marketing.

sichern Einsparpotentiale.

schaffen zufriedene Kunden.

Nachteile von Netzwerken

Viele „Nachteile“ von Netzwerken sind nur scheinbare Nachteile. Sie werden von Personen vorgeschoben, die selbst keinem Netzwerk angehören und sich durch Netzwerke beeinträchtigt oder benachteiligt fühlen. Aber es gibt auch einige echte Nachteile.

Netzwerke:

benötigen die Investition von Zeit.

können zur Einschränkung der persönlichen Identität führen.

werden durch das Fehlverhalten einzelner im Image geschädigt.

bergen immer Konfliktpotential.

kosten Geld.

Das gilt im Prinzip für jedes Netzwerk, aber nicht für alle in gleichem Maße. Und hier kommen wir zu einem ganz wichtigen Punkt, wenn es um Netzwerke in der Gebäudesanierung geht. Sie sind nicht alle gleich! Und sie sind auch nicht alle gleich gut.

Unterschiede bei Netzwerken

Für einen Handwerksbetrieb bleibt es immer eine Frage der Abwägung, ob ein Beitritt zu einem Netzwerk für ihn von Vorteil ist oder nicht. Die Chancen für einen Erfolg stehen und fallen mit der Qualität der Mitglieder. Aus diesem Grund sollte man kein Netzwerk gründen und auch keinem Netzwerk beitreten, das keine Qualitätsansprüche und Aufnahmebarrieren für die Mitglieder definiert. In Netzwerken, in denen solche Instrumente fehlen, sind Konflikte und Imageschäden vorprogrammiert. Ein gutes Netzwerk benötigt zudem eine Koordinationsstelle, die nach außen als Ansprechpartner auftritt, die innere Kommunikation steuert und bei Problemfällen zwischen den Partnern vermittelt. Als wichtiges Qualitätsmerkmal verbindet ein gutes Netzwerk schließlich alle am Markt beteiligten Akteure, die gemeinsam das Ziel verfolgen, eine steigende Anzahl an Gebäudesanierungen anzustoßen. Das gehört zu den wichtigsten Aufgaben für die Zukunft im Bauhandwerk und gibt zugleich wichtige Impulse für einen Wachstumsmarkt mit einem immensen Potential. Dieses Potential gilt es zu heben, um wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen.

Netzwerke sind Realität

Netzwerke müssen „leben“ und durch alle Mitglieder gemeinsam getragen werden. Der Blick auf aktive bereits bestehende Netzwerke zeigt, welche Vorteile sie bieten. Für viele Betriebe ist es selbstverständlich, sich durch einen Berufsverband vertreten zu lassen. Sie nutzen dieses „Netzwerk“ für den eigenen wirtschaftlichen Erfolg, knüpfen über den Verband Kontakte, nehmen Weiterbildungen in Anspruch und lassen sich bei Fachgremien und in der Politik vertreten. Der Netzwerkgedanke ist hier längst gelebte Realität. Heute sind neue Netzwerke gefragt, die über den Tellerrand blicken. Die komplexer gewordenen Aufgaben in der Sanierung erfordern ein neues Denken und aus den „Einzelkämpfern“ auf der Baustelle sollte ein Zusammenschluss von Fachleuten werden, die ein gemeinsames Ziel verfolgen: zufriedene Kunden und wirtschaftlichen Erfolg.

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Ausgabe 06/2011

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