Regen- und Grauwassernutzung

Bestandsaufnahme mit Ausblick

Trinkwassereinsparung ist weiterhin die Triebfeder zum Einbau von Zisternen zur Regenwassernutzung, selbst wenn es dafür kaum noch öffentliche Fördergelder gibt. Stattdessen profitiert die Bauherrschaft mancherorts von Abschlägen bei der Niederschlagsgebühr, obwohl der Überlauf der Zisterne am Kanal angeschlossen ist. Grauwasserrecycling ist insbesondere dann lukrativ, wenn viele Bewohner in mehrgeschossigen Gebäuden untergebracht sind, zum Beispiel in Hotels und Wohnheimen. Regen- und Grauwassernutzung ist Stand der Technik. Der nachfolgende Beitrag nennt sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten beider Betriebswasserarten und zeigt aktuelle Trends auf.

Laut einer Umfrage unter 1.900 Ingenieuren vom März 2015 hat die Nutzung von Regenwasser gute Chancen in den nächsten Jahren. Urbanes Stadtklima und Kühlung mit Regenwasser sind erst seit fünf Jahren in der Diskussion und werden an Bedeutung gewinnen. Die aktuelle Marktsituation für Regenwasseranlagen wird seit einigen Jahren vor allem begünstigt durch mehr Baugenehmigungen im Eigenheimbau, die steigenden Investitionen in Immobilien und deren qualitative Anlagen sowie durch steigende Trink- und Abwassergebühren. Grauwassernutzung ist noch ein vergleichsweise kleiner Markt, kommt jedoch bei den Betreibern von Wohnheimen, Hotels, Campingplätzen und Sportanlagen zunehmend „in Mode“. Beide Betriebswasserarten gelten als ökologisch wertvoll, trinkwasser- und kostensparend.

Förderprogramme

In Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bremen, Schleswig-Holstein und im Saarland gab es vor 20 Jahren landesweite Zuschussprogramme für die Nutzung des Regenwassers. Sie waren auf die Dauer von einigen Jahren befristet – außer im Bundesland Bremen. Dort erhält derjenige einen Zuschuss bis zu 12.000 €, der einen Regenspeicher gemäß Förderrichtlinie baut. Grundsätzlich kann jede Stadt oder Gemeinde in Deutschland, unabhängig vom Bundesland, eine ähnliche Regelung beschließen und in ihrer kommunalen Satzung verankern. Aktuelle Beispiele dafür sind Heidelberg, Bad Mergentheim und Gräfelfing. Allerdings hat bei den Kommunen, wie auch bei den Bundesländern, die Zahl derer, die Regenwassernutzung fördern, kontinuierlich abgenommen.

Motiv für ein Förderprogramm kann ein Engpass in der Trinkwasserversorgung sein, zum Beispiel ein Mangel an verfügbaren Ressourcen, oder ein zu klein dimensioniertes Verteilnetz. Doch auch wenn die Ressourcen nicht knapp sind, macht es Sinn Trinkwasser zu sparen und Regenwasser zu nutzen. Langfristig spart das Geld und schont die Grundwasservorräte. Auch die Mischwasserkanäle werden entlastet, Gewässer vor Schadstoffeinträgen geschützt und Keller vor Überschwemmung bewahrt. Aus diesen Gründen dürfen Kommunen in Baden Württemberg gemäß Landesbauordnung § 74,3 seit 1996 Regenwassernutzung sogar vorschreiben. Solche Ermächtigungen gibt es auch in Hessen, Hamburg, Bremen und im Saarland.

Zum Thema Grauwasserrecycling: Die Hansestadt Hamburg war Pionier bei der Förderung des Grauwasserrecycling. Ab Juni 2004 gab es ein Programm mit 1.500 € Zuschuss für private Anlagen. Dies ist mittlerweile ausgelaufen, stattdessen werden mit dem Programm „Unternehmen für Ressourcenschutz“ durch die Hamburgische Investitions- und Förderbank gewerbliche Anlagen bezuschusst. Ähnliche Maßnahmen in anderen Bundesländern und Kommunen sind nicht bekannt. Allerdings gab es auf Antrag Forschungsmittel für einzelne Projekte vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) oder von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).

Stand der Technik

Die Anlagentechnik besteht im Wesentlichen aus einem Leitungssystem zum Sammeln, bei Regenwasser mit Filter, bei Grauwasser mit Aufbereitungstechnik. Dazu gehört jeweils ein – vom Trinkwassernetz völlig entkoppeltes – System zum Verteilen. Dazwischen befinden sich Wasserspeicher mit Überlauf sowie Pumpentechnik und automatische Nachspeiseeinrichtung. Der Speicherbehälter kann in der Erde eingegraben oder im Gebäude aufgestellt sein.

Sowohl Regenwasser- als auch Grauwassernutzung sind Stand der Technik. Die fbr-Marktübersicht, alle 2 Jahre aktualisiert, bietet einen Überblick über mehr als 300 Produkte, unter anderem zu Regenwassernutzung und Grauwasserrecycling. Die technischen Komponenten sind bei gängigen Typen in den Größen S, M und L modular zusammengesetzt und vorfabriziert, elektrische Bauteile fertig verdrahtet. Hersteller kompletter Anlagen bieten auch Zubehör. Sonderanfertigungen sind grundsätzlich möglich.

Regenwasser und aufbereitetes Grauwasser eignen sich für dieselbe Verwendung. Beide Arten gelten als Betriebswasser, das keine Trinkwasserqualität hat. Damit darf in Deutschland unter anderem der Garten gegossen, die Toilette gespült und die Wäsche gewaschen werden. Mindestanforderung ist eine Wasserqualität gemäß der europäischen Badegewässerrichtlinie. Bei Stichproben werden regelmäßig deutlich bessere Werte gefunden, als bei der Badegewässerrichtlinie gefordert wird. Eine Nachweispflicht besteht nicht.

Derzeit werden in Abstimmung mit den europäischen Gremien einheitliche DIN-EN-Regelwerke erstellt, sowohl für die Regenwasser-, als auch für die Grauwassernutzung. Dies geschieht im DIN-Ausschuss NA 119-05-08 AA „Wasserrecycling“, seit dieser im Jahr 2013 als nationaler Spiegelausschuss des europäischen Arbeitskreises CEN/TC 165/WG 50 benannt wurde. Ein europäischer Normenentwurf für Teil 1 Regenwassernutzung wird für Ende 2016 erwartet. Teil 2 Grauwassernutzung soll direkt im Anschluss bearbeitet werden.

Aktuelle Tendenzen

Wasser und Wärme haben einen engeren Zusammenhang, als bisher in der Haustechnik praktiziert. Die Wärmerückgewinnung aus Abwasser und aus Grauwasser ist bereits erprobt und rentiert sich zunehmend. Aber auch die Energieeinsparung bei der Adiabaten Abluftkühlung, bei der Verdunstungskühlung von Regenwasser an der Fassade oder dem Energiegewinn bei Kombination von Photovoltaik und Dachbegrünung durch den kühlenden Effekt des selbsttätig verdunstenden Regenwassers sind Beispiele.

Solche Maßnahmen überschreiten die Grenzen der klassischen Haustechnik und müssen deshalb bereits Konzept der Architektur sein, wenn sie mit Erfolg umgesetzt werden sollen. Investoren fordern derlei Ideen seit geraumer Zeit von ihren Planern, um die Nachhaltigkeit durch Zertifizierung ihres Gebäudes bescheinigt zu bekommen – von Organisationen wie DGNB, LEED oder Breeam. Sogar für gesamte Quartiere wird die Zertifizierung mittlerweile beantragt. Das Europaviertel in Frankfurt am Main ist der erste Stadtteil in Deutschland, der eine solche Auszeichnung erhielt.

Die private Bauherrschaft hingegen profitiert neuerdings bei der Regenwassernutzung neben der Einsparung der Trinkwassergebühr von Abschlägen bei der Niederschlagsgebühr, selbst wenn der Speicherüberlauf an den Kanal angeschlossen ist. In Baden-Württemberg haben viele Städte und Gemeinden den Bürgern die Möglichkeit eingeräumt, das Rückhaltepotential in unterirdischen Regenspeichern bei der Berechnung der Niederschlagsgebühr anzusetzen. Die Vorlage dazu lieferte der Gemeindetag Baden-Württemberg mit seinem Vorschlag vom 20. Oktober 2010. Die Städte Stuttgart, Mannheim, Ulm, Baden-Baden und Friedrichshafen sind Beispiele für Kommunen, die dies modifiziert in ihre Satzungen übernommen haben. Beispiele in anderen Bundesländern sind Darmstadt/Hessen und Nottuln/NRW.

Nächster Schritt: Zweites Leitungsnetz

„Semi- oder dezentrale Lösungen einer Betriebswasserversorgung im Gebäude versprechen zugleich flexiblere und wirtschaftlichere Wasserinfrastrukturen. Dennoch haben sie sich in der Fläche bislang nicht durchgesetzt, denn für die Kommunen und Akteure der Siedlungswasserwirtschaft sind noch viele Fragen offen“, stellt das Deutsche Institut für Urbanistik fest. „Neue technische Lösungen verändern Stadttechnik und Haustechnik gleichermaßen“. Wie können Baumaßnahmen, die neuartige Elemente beinhalten, im Gebäudebereich und in der technischen Infrastruktur zwischen Planern, Betreibern und anderen relevanten Akteuren abgestimmt werden? Was bedeutet das für Betreiber und Kommunen? Wer trägt die Kosten und wer hat den Nutzen der Maßnahmen? Wie hoch ist die Akzeptanz in der Bevölkerung? Welche Spielräume sieht der bestehende Rechtsrahmen vor? Und wie ist zwischen unterschiedlichen Lösungsstrategien zu entscheiden?

„Angepasste kleinräumige Systeme mit modularen Komponenten, die moderne Technologien nutzen, versprechen Abhilfe im Hinblick auf eine nachhaltige Wasserver- und Abwasserentsorgung“, sagt Dr.-Ing. Harald Hiessl, stellvertretender Leiter des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe. Das Neubaugebiet „Am Römerweg“ in Knittlingen mit 100 Wohngrundstücken dient dem ISI schon seit 2006 als Pilotprojekt. Es wurde mit 2 Mio. € durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Hiessl empfiehlt, um Betriebswasser in den Gebäuden nutzen zu können, bereits bei der Planung parallel zu den Trinkwasserleitungen ein zweites Leitungsnetz zu den Verbrauchsstellen vorzusehen. Das Verlegen der zusätzlichen Leitungen kann bei Neubauten mit geringem Mehraufwand bewerkstelligt werden. Diesem Mehraufwand steht nach Angaben Hiessls als Nutzen gegenüber, dass der Trinkwasserverbrauch reduziert wird, Wasch- und Entkalkungsmittel eingespart werden und durch den Wegfall der Versickerungsanlage Nutzungsbeschränkungen in den Hausgärten entfallen.

Unterschiede Regen-/Grauwasser

Regenwasser stammt aus Niederschlag und wird in der Regel als Abfluss von den Dachflächen eines Gebäudes gesammelt. Es fällt je nach Wetter und Ort an. Das bedeutet, dass Menge, Intensität und zeitliche Verteilung des Speicherzulaufs variieren. Berechnungen des Regenwasserertrags stützen sich wie bei der Entwässerungsplanung auf regionale Wetterdaten der Vergangenheit. Die Reinigung erfolgt im Zulauf oder im Regenspeicher rein mechanisch mit speziellen Filtern und/oder Sedimentation. Als allgemein anerkannte Regel der Technik gilt DIN 1989-1:2002-04, Teil 1: „Regenwassernutzungsanlagen, Planung, Ausführung, Betrieb und Wartung“.

Grauwasser stammt aus der Gebäudeinstallation und wird von Duschen, Badewannen und Waschbecken separat vom sonstigen Abwasser gesammelt. Es fällt je nach Anzahl der Bewohner und deren Wasserbedarf bei der Körperreinigung an. Berechnungen des Grauwasseranfalls gehen von entsprechenden Erfahrungswerten und der voraussichtlichen Anwesenheit der Personen aus. Die Reinigung bzw. Aufbereitung geschieht in einem vollautomatischen, mehrstufigen und geschlossenen Recycling-Prozess, ohne chemische Zusätze. Eine allgemein anerkannte Regel der Technik gibt es bisher nicht. Verschiedene Verbände haben entsprechendes Fachwissen zusammengetragen und unabhängig voneinander publiziert. Stellvertretend sei das Hinweisblatt fbr-TOP 4 der Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung e. V. (fbr) genannt. Es liefert Hinweise zu Anforderungen an Planung, Betrieb und Wartung, die sich in der Praxis bewährt haben und dient als Empfehlung.

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