Upcycling von gebrauchtem Wasser und Wärme

Wohnungsgenossenschaft hat Werteerhalt und Betriebskosten im Blick

Die beste Gelegenheit, kostengünstig ein zweites Leitungsnetz zu installieren, bieten Neubau und energetische Sanierung. Damit lässt sich Regenwasser nutzen und bereits gebrauchtes Grauwasser recyceln. Die Erste Wohnungsgenossenschaft Berlin-Pankow e G (EWG) hat damit Erfahrungen gesammelt und weiß heute, wie das geht.

Blockrandbebauung der EWG mit 39 Wohnungen, fertiggestellt 2022. Für das Objekt wurde ein zweites Leitungsnetz installiert, das die Sammlung von Grauwasser und die Nutzung von Betriebs- und Regenwasser ermöglicht.
Bild: König

Blockrandbebauung der EWG mit 39 Wohnungen, fertiggestellt 2022. Für das Objekt wurde ein zweites Leitungsnetz installiert, das die Sammlung von Grauwasser und die Nutzung von Betriebs- und Regenwasser ermöglicht.
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Die Idee ist nicht neu, doch zunehmend gefragt. Denn die Bewohnerinnen und Bewohner profitieren aufgrund sinkender Energie- und Wasserkosten. Grauwasser-Recycling ist insbesondere dort lukrativ, wo viele Menschen in mehrgeschossigen Gebäuden untergebracht sind; zum Beispiel in Hotels, im mehrgeschossigen Wohnungsbau oder in Wohnheimen. Und wegen der wieder einmal gestiegenen Baukosten, so die verständliche Haltung der meisten Investoren, realisierten sie bislang nur das zwingend Notwendige. Die einfachen Voraussetzungen für dauerhaft niedrige Betriebskosten durch Wasserrecycling mit Wärmerückgewinnung gehörten leider nicht dazu, denn sie stehen nicht im Bau- und Wassergesetz, auch nicht im Lehrplan der Ausbildung von Architekten und Ingenieuren. Es sind die

frühe Einbeziehung der Idee in die Gebäudeplanung, sowie

die getrennte Erfassung von Grauwasser (aus Duschen und Badewannen, eventuell auch aus Waschmaschinen) und sonstigem Abwasser.

Beides gelingt am besten bei Neubau und Kernsanierung. Und wenn Bauherren wie die EWG in Berlin die Werteerhaltung ihres Gebäudes im Fokus haben und sich der Umwelt, dem Klima und ihren Bewohnern verpflichtet fühlen. Planer Erwin Nolde im Technikraum. Zur Fernwartung überträgt ein Router die nötigen Daten der Wassertechnik an sein Büro und auf sein Mobiltelefon. So kann er im Auftrag der Wohnungsgenossenschaft kontrollieren und korrigieren.
Bild: König

Planer Erwin Nolde im Technikraum. Zur Fernwartung überträgt ein Router die nötigen Daten der Wassertechnik an sein Büro und auf sein Mobiltelefon. So kann er im Auftrag der Wohnungsgenossenschaft kontrollieren und korrigieren.
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Grauwasser- und Wärmerecycling

Seit 2010 baut die EWG neu mit Grauwasserrecycling. „Doch beim ersten Objekt in der Berliner Brennerstraße 88 a-h haben wir aufs falsche Pferd gesetzt, mussten Lehrgeld bezahlen“, sagt Chris Zell, einer der beiden Vorstände der EWG. Falsche oder fehlende Wartung hat zum Ausfall der Anlage geführt. Sie funktionierte nach dem Prinzip der Ultrafiltration mit Hilfe von Membran-Modulen, deren Austausch von Zeit zu Zeit notwendig ist und in diesem Fall besonders kostenintensiv gewesen wäre. Seitdem das Team um Planer Erwin Nolde diese Anlage eines Wettbewerbers auf die ihm eigene Technik der belüfteten Wirbelbettanlage umgerüstet hat, ist ein störungsfreier Dauerbetrieb möglich. Und damit war 2020 die Entscheidung gefallen, beim Neubau der EWG mit 39 Wohnungen in der Dolomitenstraße 47/49, Berlin-Pankow, diese wartungsarme Technik ein weiteres Mal einzusetzen. Die Anlagensteuerung kontrolliert sich selbst und meldet Unregelmäßigkeiten per E-Mail oder Microsoft Teams an die verantwortliche Person. Voraussetzung ist ein Router, der ständig aus der Technikzentrale heraus die nötigen Daten überträgt.
Bild: König

Die Anlagensteuerung kontrolliert sich selbst und meldet Unregelmäßigkeiten per E-Mail oder Microsoft Teams an die verantwortliche Person. Voraussetzung ist ein Router, der ständig aus der Technikzentrale heraus die nötigen Daten überträgt.
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In den Jahren davor hatte Nolde bei großen Mehrfamilienhäusern in Berlin und Frankfurt sehr gute Erfahrungen dabei gesammelt, dem in der Regel noch warmen Grauwasser im Keller des Gebäudes während des Aufbereitens zu Toilettenspülwasser zusätzlich die Wärme zu entziehen. Diese wird im selben Raum mit wenig Aufwand zur Vorwärmung des Warmwassers verwendet. Und so zirkuliert die Wärme im Haus, wenn wieder geduscht oder gebadet wird. „Wir schließen damit auch das letzte große Wärmeleck in Neubauten,“ sagt Ingenieur Nolde, „denn über das nur 150 mm enge Abwasserrohr entweicht mehr Energie als über die gesamte Außenhülle eines gut gedämmten Mehrfamilienhauses.“ Dass die Anlage zur dezentralen Wärmerückgewinnung aus Grauwasser und das Wasserrecycling wenig Energie benötigt, aber viel Wärme, Wasser und Geld spart, stellt nach zwei Jahren Betrieb im Neubau der EWG an der Pankower Dolomitenstraße Benjamin Freyberg fest. Er ist als Mitarbeiter der Genossenschaft für die Technik des Gebäudes zuständig und betont: „Pro Tag werden 3.000 l hochwertiges Betriebswasser und 35 kWh Wärmeenergie zurückgeholt. Außerdem erwärmt sich unser städtisches Umfeld weniger, der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) wird durch diese Anlage um drei Tonnen pro Jahr vermindert. Das dient dem Klimaschutz und ist unserer Genossenschaft wichtig.“ Im Betriebswasserspeicher wird das gereinigte und durch UV-Licht desinfizierte Grauwasser zur Verwendung für die Toilettenspülung gelagert. Ist gelegentlich der Bedarf größer als der Ertrag, wird automatisch Trinkwasser zugeführt.
Bild: König

Im Betriebswasserspeicher wird das gereinigte und durch UV-Licht desinfizierte Grauwasser zur Verwendung für die Toilettenspülung gelagert. Ist gelegentlich der Bedarf größer als der Ertrag, wird automatisch Trinkwasser zugeführt.
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Regenwassernutzung und Versickerung

Der auf den Dächern auftreffende Niederschlag wird gesammelt und zur Bewässerung von sechs Hochbeeten im begrünten Innenhof und für Beete auf der Dachterrasse genutzt, optional zusätzlich für ein dort eventuell später realisiertes Gewächshaus. Der Regenspeicher aus Ortbeton liegt unter dem Innenhof und fasst 100 m³. Eine Unterwasserpumpe setzt zwei Bewässerungsleitungen unter Druck. Die eine führt in den Hof zu zwei Zapfstellen, die andere versorgt drei Zapfventile auf der Dachterrasse. Von diesen aus bewässert der Hausmeister manuell mit einer Schlauchbrause. Bei vollem Speicher wird weiter zufließendes Regenwasser automatisch, zur Versickerung in einer Mulde, an die Oberfläche gepumpt. Der kf-Wert des Bodens ist jedoch schlecht, d. h. Versickerung kaum möglich – so dass hier der Regenspeicher als Puffer vor die Sickermulde gebaut wurde.
Rückhaltung bietet zusätzlich das begrünte Retentionsdach mit besonders großem Speichervolumen und einer insektenfreundlichen Saatgutmischung namens „Bienenweide“.

Technische Regeln, Betriebssicherheit

Entscheidend für Betreiber und Bewohner ist, wie bei jedem technischen Verfahren, die Zuverlässigkeit. Im Umgang mit Wasser kommt die Gewährleistung der ausreichenden Qualität bzw. der hygienischen Unbedenklichkeit hinzu. Darin ist die hier beschriebene Anlage vorbildlich. Im Büro der Planer bei
„Nolde – innovative Wassertechnik GmbH“ sind die vor Ort gemessenen Daten verschiedener Objekte permanent sichtbar. Damit kann kontrolliert und teilweise per Fernwartung die Anlage auf das Nutzerverhalten angepasst und optimiert werden. Die Genossenschaft EWG trägt so als Anlagenbetreiberin weniger Verantwortung, zugleich erhält sie für ihre Bewohner die bestmögliche Betriebssicherheit. Das Internet of Things (IoT), das Nolde innerhalb Berlins seit 2018 für Contracting einiger Wasseraufbereitungsanlagen einsetzt, macht`s möglich. Das bedeutet, dass sich die Anlagensteuerung selbst kontrolliert und Unregelmäßigkeiten per E-Mail oder Microsoft Teams an die verantwortliche Person meldet. Die vernetzten Geräte stellen über das Internet eine Schnittstelle zur Verfügung, über die sie sich von einem beliebigen Ort aus bedienen und steuern lassen. Voraussetzung ist allerdings in
jeder Anlage ein Router, der ständig aus der Technikzentrale heraus die nötigen Daten überträgt. Der unterirdische Regenspeicher liegt im begrünten Innenhof und fasst 100 m³. Ist er voll, werden weiter zufließende Niederschläge und Betriebswasserüberläufe automatisch, zur Versickerung in einer Mulde, an die Oberfläche gepumpt.
Bild: König

Der unterirdische Regenspeicher liegt im begrünten Innenhof und fasst 100 m³. Ist er voll, werden weiter zufließende Niederschläge und Betriebswasserüberläufe automatisch, zur Versickerung in einer Mulde, an die Oberfläche gepumpt.
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Und wie weiter?

Chris Zell hat in Abstimmung mit den Aufsichtsräten der EWG seit geraumer Zeit die Bestandsbauten im Fokus. Bei Generalsanierung und ausreichender Bewohnerzahl soll auf Grau- und Regenwassernutzung umgestellt werden. Das Einsparungspotential bei Trinkwasser beträgt ca. 30 %, bei der Vorerwärmung von Warmwasser 30-60 %. Dem gegenüber standen beim Neubau in der Dolomitenstraße Investitionen für Grauwasser- und Wärmerecycling von rund 2% der Gesamtbaukosten bzw. von 103 Tsd. € brutto, abzüglich Fördermittel für die Wärmerückgewinnung von 18 Tsd. €. Es zahlt sich aus, so die Erfahrung, und ist daher auch im Interesse der Genossenschaftsmitglieder und Bewohner. Der auf den Dächern auftreffende Niederschlag wird gesammelt und zur Bewässerung des begrünten Innenhofs sowie sechs Hochbeeten und Beeten auf der Dachterrasse genutzt. Der Speicherüberlauf versickert in einer Mulde.
Bild: König

Der auf den Dächern auftreffende Niederschlag wird gesammelt und zur Bewässerung des begrünten Innenhofs sowie sechs Hochbeeten und Beeten auf der Dachterrasse genutzt. Der Speicherüberlauf versickert in einer Mulde.
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Konkret geht es um eine umfangreiche Sanierung und energetische Modernisierung der beiden Bestandsgebäude im Eschengraben 36, 38 und in der Baumbachstraße 8, 9 (Baujahr 1961/ 1962), insgesamt 48 Wohnungen. Nach Fertigstellung der Maßnahmen sollen sie über einen Energiestandard „Effizienzhaus 85 / Erneuerbare Energien“ verfügen. Hier sind zudem die Regenwasserbewirtschaftung und das Grauwasserrecycling geplant. Allerdings gibt es Schwierigkeiten mit der Baugenehmigung. Die Erhaltungspflicht im Milieuschutzgebiet steht laut Kommune dagegen, obwohl das Grauwasserrecycling bei der Genossenschaft nachweislich nicht zur Erhöhung der Nettokaltmieten beiträgt – im Gegenteil. Laut Genehmigungsbehörde ist die gewünschte Veränderung an der Haustechnik nur tolerierbar, wenn staatliche Fördergelder dafür gewährt werden. „Wir sind von der Technik überzeugt, wollen im Bestandsbau Vorreiter sein, und hoffen, diese Hürde überspringen zu können“, so Chris Zell.

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