Arbeits- und Gesundheitsschutz

Rückenschule

im Burggraben

Die Michael Dausner Bauunternehmung aus Rheindiebach nutzt konkrete Erfahrungen aus einem Forschungsprojekt des itb Karlsruhe zur längeren Bindung des betrieblichen Erfahrungswissens. Dabei zeigt der Firmeninhaber, wie man aktiv die Gesundheit seiner Mitarbeiter fördert – die ja mit ihrem Know-how das Kapital eines Unternehmens ausmachen. Arbeits- und Gesundheitsschutz ist dabei nicht nur ein Thema für Bauunternehmen, sondern im gleichen Maße für SHK-Handwerker relevant, die ähnlichen Belastungen ausgesetzt sind.

Richtig angewendeter Arbeits- und Gesundheitsschutz nützt sowohl dem eigenen Betrieb als auch den hier Beschäftigten. Das weiß Michael Dausner nur zu genau. Der Handwerksmeister und Bauingenieur hat den 1957 in Rheindiebach gegründeten Baubetrieb im Jahr 1996 von seinem Vater übernommen, nachdem er eine Weiterbildung als Restaurator im Handwerk erfolgreich abschließen konnte. Elf Mitarbeiter einschließlich zwei Lehrlingen beschäftigt er heute. Die meisten arbeiten schon seit Jahrzehnten in dem Betrieb. Das Unternehmen hat sich auf die Restaurierung denkmalgeschützter Gebäude konzentriert und zählt damit zu den wenigen entsprechend spezialisierten Fachbetrieben in Rheinland-Pfalz. Mittelalterliche Burgen oder gerade im Rheinland häufig anzutreffende römische Gebäude und Pflasterungen sowie Kirchen unterschiedlichster Epochen sind überwiegend die Baustellen des hochqualifizierten und erfahrenen Teams. „Meine Mitarbeiter sind mein wichtigstes Kapital“, sagt Michael Dausner. „Je länger sie gesund und fit und damit in meinem Betrieb bleiben, desto länger bleibt ihre Erfahrung im Betrieb. Und das ist mit Geld überhaupt nicht zu bezahlen.“


Das NOAH-Projekt

„Ziel des NOAH-Projektes ist es, innovative Konzepte für einen systematischen und wirkungsvollen Arbeits- und Gesundheitsschutz im Handwerk zu entwickeln und zu erproben“, fasst Achim Schulte zusammen. Der Geschäftsführer des Instituts für Technik der Betriebsführung (itb) im Deutschen Handwerksinstitut ist gleichzeitig auch der NOAH-Projektleiter. NOAH – das steht für „nutzenoptimierten und kostenreduzierten Arbeits- und Gesundheitsschutz in Handwerksbetrieben“. Das 2006 begonnene und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt wird Ende dieses Jahres abgeschlossen. „Unser Arbeitsschwerpunkt“, ergänzt Schulte, „liegt in der Suche von Konzepten und Modellen, die möglichst unmittelbaren und konkreten betrieblichen Nutzen versprechen.“

Zu den Vorreiterbetrieben, die u.a. auf den Workshops des NOAH-Projektes ihre Erfahrungen ausgetauscht haben, gehört auch Michael Dausners Fachbetrieb. „Mir gefiel der Gedanke, das ganze Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz einmal systematisch anzugehen“, so der Unternehmer. Gerade auf dem Bau werde diese Problematik oft unterschätzt, manchmal gar vernachlässigt. Dabei sei es gerade hier besonders einfach, Abhilfe zu schaffen, habe man erst einmal bestimmte Gefahrenherde erkannt. „Genau betrachtet, geht es meist um scheinbare Kleinigkeiten“, meint Dausner, „etwa die Frage, wie man eine schwere Last richtig anhebt und so dauerhafte Schädigungen am Rückgrat vermeidet, oder wie man mögliche Unfallgefahren auf der Baustelle rechtzeitig erkennt und beseitigt.“


Rückenschule

Auf der Grundlage von Gefährdungsanalysen der Berufsgenossenschaft hat der Unternehmer im Jahr 2008 mit systematischen Arbeitsunterweisungen begonnen. Einen Tag im Jahr beschäftigen sich seitdem sämtliche Mitarbeiter ausschließlich mit verschiedenen Fragen der Arbeitssicherheit. Zwei oder drei kleine Unfälle gebe es im Jahr, so Dausner. Kein großes Malheur, keine meldepflichtigen Geschichten, da sei schlicht nicht genügend aufgepasst worden. „Aber auch das ist noch zuviel“, sagt er. „Ich möchte, dass meine Mitarbeiter das Bewusstsein nicht nur entwickeln, sondern stärker verinnerlichen, selbst für ihre Gesundheit verantwortlich zu sein. Dabei will ich eine Hilfestellung leisten.“ Mit Hilfe des NOAH-Projekts sei dies gelungen. Vor zwei Jahren machte die Hälfte seines Teams bei den Übungen einer Rückenschule mit, die der Unternehmer im Rahmen der Projektarbeit angeboten hatte. „Klar“, sagt er, „hat der eine oder andere meiner Leute da innerlich etwas gegrinst“.

Aber gerade die älteren Mitarbeiter, zwei sind bereits über 50 Jahre alt, seien ganz anders an die Sache herangegangen. Heute jedenfalls sei es allen in Fleisch und Blut übergegangen, welche Körperhaltung man einzunehmen habe, um eine schwere Last ebenso mühe- wie folgenlos für die Bandscheiben in die Höhe stemmen zu können.

Ebenfalls noch 2008 griff Michael Dausner einen Vorschlag der Innungskrankenkasse auf und bot seinem Team eine Ernährungsberatung an. An einem Abend saßen die Bauarbeiter und einige ihrer Frauen zusammen und hörten einen Vortrag über die Vorteile einer gesunden, ausgewogenen Ernährung. „Wir stehen zwar noch ganz am Anfang unserer Anstrengungen für einen besseren Arbeits- und Gesundheitsschutz“, sagt der Firmenchef, „aber wir machen uns gemeinsam Gedanken und setzen unsere Anstrengungen systematisch fort.“ Die Rückenschule, das steht heute bereits fest, wird demnächst wiederholt, und dann ganz sicher mit einer noch größeren Beteiligung. Entscheidend für die Akzeptanz der Angebote sei es, dass sowohl die Mitarbeiter als auch der Unternehmer selbst konkrete Vorteile erkennen könnten. „Beide Seiten müssen etwas davon haben, dann funktioniert die Sache auch“, fasst er zusammen.


Mitarbeiterbefragung

Um dies möglichst objektiv überprüfen zu können, sei im Rahmen des NOAH-Projekts auch eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt worden. Das Ergebnis habe ihn in seinem Vorgehen bestätigt, sagt Michael Dausner. „Ich habe das Gefühl, meine Leute verstehen, dass ich es gut mit ihnen meine, dass sie mir nicht gleichgültig sind, dass ich in erster Linie als Mensch an ihrem Wohlergehen interessiert bin. Ich bin zwar ihr Chef, aber schließlich arbeiten wir immer als Team auf der Baustelle – der eine kann niemals ohne den anderen etwas bewegen.“

Zum Ende des NOAH-Projekts konzen­triert sich itb-Geschäftsführer Achim Schulte auf die systematische Weitergabe der Erfahrungen aus den Vorreiterbetrieben, zu denen auch die Michael Dausner Bauunternehmung gehört. Im Raum Ostthüringen, in Rheinhessen und im Freiburger Raum arbeitet das itb zusammen mit rund 25 Handwerksbetrieben sowie den regionalen Handwerkskammern und zwei Kreishandwerkerschaften an der Planung und Umsetzung spezieller Arbeits- und Gesundheitskonzepte. Dies geschieht zum einen in Form von Workshops mit Vertretern der Vorreiterbetriebe. Darüber hinaus entwickeln die Organisationen des Handwerks neue Dienstleistungs­angebote für ihre Betriebe und unterstützen Unternehmen z.B. bei der Vermittlung von Partnern oder der Pflege von Kontakten.


Ausblick

„Im Zusammenhang mit unserem NOAH-Projekt sind wir auf ein ganz besonderes Spannungsfeld gestoßen“, wirft Achim Schulte bereits einen Blick in die Zukunft. Einerseits sollten die Betriebe immer flexibler werden, sei es bei der Arbeitszeit, sei es bei der Produkt- und Dienstleistungspalette. Andererseits seien die Betriebe aber an einer möglichst großen Stabilität und damit an einer weitreichenden Planbarkeit interessiert. Hier, so der Experte, träfen immer deutlicher verschiedenste Interessen aufeinander und zwängen die Betriebe dazu, ihre Organisationsstrukturen, ihre internen Abläufe und Prozesse zu optimieren. Das itb werde künftig noch stärker auf diese Entwicklungen reagieren und seine Forschungsarbeit auf dieses betriebliche Spannungsfeld richten. Weitere Infos zu diesem Thema: www.noah-projekt.de, www.itb.de.

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