Moderne Sanitäranlagen in historischer Kulisse

Barrierefreie Sanitärräume Individuell angefertigte Waschtische

Die Stadthalle mit ihrem imposanten Kuppelsaal ist das markanteste Gebäude des Hannover Congress Centrums und blickt 2014 auf eine einhundertjährige Geschichte zurück. Um die Stadthalle für die nächste Nutzungsperiode fit zu machen, wurden die Räumlichkeiten in den vergangenen Jahren schrittweise nach dem historischen Vorbild restauriert und gleichzeitig mit modernster Technik ausgestattet. Dazu zählen auch die Sanitärräume, bei denen die Verknüpfung zwischen historischem Ambiente und moderner Ausstattung bestens gelungen ist.

Das Hannover Congress Centrum (HCC) bietet auf einer Gesamtfläche von 13 000 m² bis zu 15 000 Sitzplätze. Diese verteilen sich auf die Eilenriedehalle, Niedersachsenhalle, Glashalle und die historische Stadthalle. Zudem stehen über 30 Konferenz- und Seminarräume zur Verfügung. Das HCC gilt als eines der größten messeunabhängigen Kongresszentren Deutschlands. Es wird jährlich von ca. 380 000 Menschen frequentiert, die eine der über 1100 Veranstaltungen besuchen.

Schrittweise „historisierende“ Sanierung

Seit 2008 werden an den Bestandsgebäuden des HCC regelmäßig Renovierungs- und Sanierungsarbeiten durchgeführt. Darin einbezogen ist auch die historische Stadthalle mit dem Kuppelsaal, die schrittweise saniert wurde.

In allen bisherigen Bauabschnitten wurden denkmalpflegeri­sche Belange berücksichtigt, um dem Originalzustand zum Zeitpunkt der Errichtung so nahe wie möglich zu kommen. Selbst die Sanitäranlagen sollten „historisierend“ saniert werden, damit ein stimmiger Gesamteindruck entsteht. Das Ausstattungskonzept und die entsprechenden Planungen wurden vom Architekturbüro Ertelt Laes Architekten ausgeführt.

Obwohl der Sanitärbereich vom Denkmalschutz ausgeklammert ist, hatte die Denkmalpflege ein Mitspracherecht bei der Gestaltung. Gleichzeitig wurden die heute gültigen Normen und Richtlinien, wie z. B.Anforderungen an ausreichende Bewegungs­flächen oder die Einhaltung eines vorgegebenen Lumenwerts bei der Beleuchtung, berücksichtigt. Daher ist hier eine moderne Ausstattung mit klassischen Materialien kombiniert worden. Dazu zählen bspw. kleinformatige Fliesen, eine spezielle Wandbeschichtung und Bauelemente aus Holz, die die Optik der in der Stadthalle bereits vorhandenen Hölzer aufgreift. Bei der Beleuchtung wurde z. T. auf kugelförmige Lampen zurückgegriffen, die eine historische Anmutung erzeugen.

Diese Anforderungen wurden auch auf die Sanitärausstattung übertragen. Hier entschied man sich für wandhängende WCs und Urinale der Serie „Renova Nr. 1 Plan“ von Keramag. Diese Sanitärobjekte wurden ausgewählt, weil deren puristische und zeitlose Formgebung überzeugen konnte. So sind im ersten und zweiten Bauabschnitt etwas über 100 WCs und Urinale aus der bewährten Sanitärserie in der Stadthalle eingebaut worden.

Zuvor wurden die Sanitärbereiche komplett entkernt und Trennwände abgerissen, da auch die Zuschnitte der Räume optimiert werden sollten. Im Vordergrund stand dabei die Erhöhung der Kapazitäten der Damentoiletten, damit sich dort zu Spitzen­zeiten keine Warteschlangen bilden. So wurde bspw. die Damen­toilette des größten Sanitärbereichs im Kuppelumgang des ersten Obergeschosses mit neun wandhängenden WCs aus der Serie „Renova Nr. 1 Plan“ ausgestattet. Auf den Herrentoiletten hingegen ist die Anzahl der Toilettenkabinen auf vier reduziert worden. Stattdessen wurde die Zahl der Urinale auf sechs erhöht, so dass annähernd gleiche Nutzungsbedingungen gegeben sind.

Die Planung der Gewerke Sanitär, Heizung und Lüftung führte die Stamme – Streit + Partner Planungsgesellschaft mbH aus Hannover durch. „Wir haben vom Untergeschoss bis in die Sanitäranlagen eine komplett neue Verrohrung für Trink- und Abwasser geplant“, sagt Fachplaner Mathias Kautz. „Bei den WC-Anschlüssen wurden Nutzungsspitzen berücksichtigt und im Rahmen der Norm eine entsprechende Rohrdimensionierung vorgenommen.“ Die weitere Sanitärinstallation übernahm im ersten Bauabschnitt die Ernst Martin & Co. GmbH sowie im zweiten Bauabschnitt die Carl Oettinger Gesundheitstechnik GmbH & Co. KG, beide aus Hannover.

Individuell angefertigte Waschtische

In den Vorräumen zu den Toiletten sollten Waschtischanlagen entstehen, die optisch ansprechend wirken, den vorgegebenen Platz optimal ausnutzen und gleichzeitig einen hohen Nutzerkomfort bieten. Deshalb entschied man sich hier für Sonderanfertigungen aus dem Mineralwerkstoff Varicor. „Dieses Material habe ich den Architekten vorgeschlagen“, sagt Jörg Gluth, Projektmanager Vertrieb bei Keramag (www.keramag.de). „Überzeugen konnten dabei vor allem die Vorteile der individuellen und maßvariablen Gestaltung sowie die fugen­lose Verarbeitung, da sich dadurch die Waschtische exakt an die Wünsche des Bauherrn anpassen lassen.“ Das aus hochwertigen Naturmaterialien und Harzen bestehende Varicor ist besonders schlagfest, fleckenunempfindlich sowie reinigungsfreundlich und von daher ideal für den Einsatz in hochfrequentierten Sanitäranlagen geeignet.

In der historischen Stadthalle wurden im Rahmen der beiden Bauabschnitte insgesamt 13 Washtop-Waschtische mit zusammen 24 Becken eingebaut. Die Entwürfe der Waschtische lieferten Ertelt Laes Architekten. Die weitere Planung, Anfertigung und Montage lagen in den Händen der Cohrs Objekt GmbH aus Bad Fallingbostel. „Die Becken wurden von uns komplett neu entwickelt“, erklärt der technische Leiter Frank Stahl. „Der Beckenboden wurde so optimiert, dass das auftreffende Wasser keine Spritzer verursacht. Dabei haben wir auch die spätere Position der Armaturen berücksichtigt, die sich oberhalb der Becken an der Wand befinden.“ Je nach Raumsituation und Platzangebot sind die Waschtische als ein-, zwei-, drei- oder vierfache Anlage in der Farbe Arktis angefertigt worden. Die Mehrfachwaschtische erhielten seitliche Abstützungen, sog. Stollen, die ebenfalls aus dem Mineralwerkstoff hergestellt wurden. Neben jedem Becken befinden sich großzügige Ablageflächen.

Barrierefreie Sanitärräume

Das HCC bietet auch in punkto Barrierefreiheit hohe Standards:

Die Anzahl der barrierefreien Sanitärräume wurde von einem im Erdgeschoss liegenden Raum auf insgesamt vier erhöht. Diese Sanitärräume verteilen sich über zwei Etagen. So befindet sich einer in der ersten Etage in Höhe des Roten und Blauen Saals. Der Zugang erfolgt in diesem Fall über einen Aufzug, der auch den Kuppelsaal erschließt.

Die hier eingebauten Waschtische aus der Serie „Dejuna“ erzeugen aufgrund ihres puristisch-modernen Designs kein typisches Handicap-Ambiente und erfüllen dennoch alle Ansprüche an Barrierefreiheit. Durch ihre flache Bauform können sie auch von sitzenden Personen genutzt und mit einem Rollstuhl unterfahren werden. Speziell gestaltete Front- und Seitenflächen erleichtern das Greifen und Heranziehen, softe Radien sowie gerade Bereiche bieten angenehme Auflagen für die Arme und dienen gleichzeitig zur Abstützung.

In den barrierefreien Sanitärräumen wurden neben den Waschtischen je ein zusätzlicher Stützgriff angebracht und die Seifen- sowie Handtuchspender auf einer Höhe montiert, die auch von sitzenden Personen bequem erreicht werden kann. Zudem ist der schlanke, hochformatige Spiegel fast bis zur Oberkante des Waschtischs heruntergezogen, so dass auch Rollstuhlnutzer selbstständig und ohne fremde Hilfe zurechtkommen.

Bei der Platzierung des WCs im barrierefreien Sanitärraum musste zuvor ein Problem gelöst werden: Die geringe Grundfläche des Raums ließ die in der Norm DIN 18040-1 geforderte beidseitige Anfahrbarkeit des WCs mit dem Rollstuhl nicht zu. Deshalb kam hier ein seitenverstellbares System zum Einsatz, mit dem das wandhängende „Dejuna-WC“ per Knopfdruck in die gewünschte Position gebracht werden kann. Dadurch wird dem Nutzer ermöglicht, selbst zu entscheiden, ob er das WC von rechts oder links anfahren möchte. Die beidseitig neben dem WC angebrachten Stütz-Klappgriffe bieten beim Übersetzen sicheren Halt und dienen gleichzeitig als Toilettenpapierhalter. Dadurch können Rollstuhlnutzer selbst in Sanitärräumen mit kleinem Grundriss das WC problemlos nutzen.

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