Versuchsanlage für Grauwassernutzung

Hafen City Universität Hamburg Neuartige Sanitärsysteme im eigenen Gebäude getestet

Mit dem Sommersemester 2014 begann an der Hafen City Universität (HCU) ein neues Kapitel in der Erforschung zukunftsfähiger Haustechnik, speziell im Umgang mit Regen- und Abwasser. Wiederverwendung ist die Devise, auch bei Grauwasser, das aus Wasch- und Ausgussbecken stammt. Nutzer sind die Mitarbeiter und Studenten, denn die Anlagen sind fest als Teil der Haustechnik im Universitäts­gebäude eingebaut. Der extravagante Neubau an der Elbe entlastet das Hamburger Kanalsystem und ermöglicht die Erprobung zukunftsfähiger Stoffkreisläufe.

Neben den Ideen, die aus dem Fachgebiet Umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung der HCU stammen, war eine weitere Triebfeder für die Installation der verschiedenen Sanitärsysteme im Neubau der Hochschule das Zertifizierungssystem der Hafen City Hamburg GmbH (HCH). Öffentliche Gebäude, die im Stadtteil Hafen City zurzeit entstehen, unterliegen der Quartierszertifizierung der HCH. Das heißt, sie müssen Mindestanforderungen in Bezug auf Umweltstandards erfüllen. Der Hafen City Universität gelang dies überdurchschnittlich. Sie erhielt die Auszeichnung in Gold für eine Summe von verschiedenen Maßnahmen. Dazu gehören u.a.:

Gebäudetemperierung durch Nachtauskühlung,

Wärmedämmung der Gebäudehülle besser als nach den ENEV-Anforderungen,

3-fach-Fensterverglasung,

Dachbegrünung,

Wassersparmaßnahmen und gleichzeitig Vermeidung von Abwasser durch Regenwassernutzung,

Grauwassernutzung und

Gelbwassertrennung mit wasserlosen Urinalen.

Gemäß Landeshaushaltsordnung in Hamburg muss für den HCU-Neubau eine sogenannte 2/3-Wirtschaftlichkeit der zuvor genannten Maßnahmen nachgewiesen werden. Das statische Verfahren geht von den aktuellen Energie- und Wasserkosten aus. Mit diesen Zahlen müssen aus heutiger Sicht 66 % Wirtschaftlichkeit der Investition erreicht werden.

Versorgung der Toilettenspülung

Abwasser aus Waschbecken sowie Ausgussbecken für Putzwasser wird als Grauwasser im Technikraum gesammelt und für die Toilettenspülung aufbereitet. 100 WC-Anlagen sind laut Arbeitsstättenrichtlinie für dieses Universitätsgebäude vorgesehen und erforderlich. Allerdings wird nur ein Versorgungsstrang (übereinanderliegende Toiletten) mit dem aufbereiteten Grauwasser versorgt. In einem weiteren Strang sind wasserlose Urinale eingebaut. Die anderen WCs sind z.T. mit Regenwasser und, zum Zweck des Vergleichs, teilweise konventionell mit Trinkwasser versorgt.

Grauwasseranlage

Die hier eingesetzte Technik für Aufbereitung und Nutzung von Grauwasser funktioniert nach einem bereits bewährten Verfahren. Mehrere Wohn- und Geschäftsgebäude in Mönchengladbach und verschiedene Studentenwohnheime in Düsseldorf wurden 2010 bis 2012 damit ausgestattet. Danach folgten für den Hersteller Aufträge in ganz Deutschland und Europa. Auch eine Forschungsstation in der Antarktis und ein Krankenhaus in Afghanistan zählen zu den Referenzen.

Jede Grauwasseranlage benötigt ein separates Leitungsnetz. Das für die Körperreinigung genutzte Trinkwasser kann gesammelt, aufbereitet und als Betriebswasser ein zweites Mal gebührenfrei im Gebäude genutzt werden. Es eignet sich der Qualität und Menge nach für Toilettenspülung. In der Regel stehen mehrere gleich große 2000-l-Tanks nebeneinander.

Für die Hafen City Universität wurden drei Behälter zu einer Anlage verbunden und in einem Technikraum im Kellergeschoss untergebracht. In den ersten Tank fließt das Grauwasser per Sammelleitung im freien Fall. Das benötigt keine Energie. „Herzstück“ der Grauwasseranlage ist die Membranfiltertechnik. Als Ultrafiltration hält sie zurück, was größer als 0,00005 mm ist. Diese Aufbereitung findet im mittleren Behälter statt, unterstützt durch einen Belüfter, welcher von außen eingeblasene Luft in den unteren Teil des mit Grauwasser gefüllten Behälters drückt. Die Filtermembranen stehen, zu einem Block gebündelt, mitten drin. Die Luft blubbert am hauchdünnen Membrangewebe entlang und reinigt es von Ablagerungen der gefilterten Stoffe. Das herausgefilterte Material wird automatisch als Feinschlamm aus den ersten beiden Behältern abgesaugt.

Vom ersten in den zweiten und nach Reinigung aus dem Inneren der Membranen in den 3. Tank wird das Wasser periodisch durch kleine, automatisch laufende Pumpen gefördert. Ist der 3. Behälter leer, weil der Bedarf größer war als der Zulauf von Grauwasser, so fließt automatisch Regenwasser ins System – ist das nicht verfügbar, wird Trinkwasser eingeleitet. Im letzten Tank, dem Reinwasser- oder Vorratsbehälter, wird nach Bedarf das absolut klare Betriebswasser entnommen durch eine weitere Pumpe, die das Versorgungsnetz bis zu den Verbrauchsstellen unter dem voreingestellten Leitungsdruck hält. Das dafür verantwortliche Bauteil ist ein Druckwächter. Er sorgt so für gleichmäßige Druckverhältnisse an den Verbrauchsstellen. In dieser Hinsicht gibt es keinen Unterschied zu einem Anschluss ans Trinkwassernetz.

Eine Grauwasseranlage muss störungsfrei und wartungsarm funktionieren, sagt Geschäftsführer Axel Pungs vom Hersteller iWater Wassertechnik. „Zusätzlich optimieren wir die ökologische und ökonomische Effizienz, indem wir die Überwachung und Steuerung als auch den Pumpenbetrieb so stromsparend wie möglich konzipieren.“ Vorrangiges Ziel sei allerdings die Wasserqualität, meint Pungs. Es darf laut Trinkwasserverordnung keine Beeinträchtigung des öffentlichen Trinkwassernetzes geben. Das könnte theoretisch bei der Nachspeisung von Trinkwasser in den leeren Reinwasserbehälter passieren. Doch hier gibt eine nach DIN EN 1717 genormte Übergabeeinrichtung die vom Gesetz­geber geforderte Sicherheit. Sie ist Teil der im Werk vorgefertigten Anlage. Damit ist gewährleistet, dass diese bei der Montage nicht vergessen oder falsch eingebaut wird.

Laut Pungs ist die Aufbereitung bei diesem Projekt für die Behandlung von Grauwasser aus den Duschen von Mitarbeitern der HCU sowie von Ausguss- und Handwaschbecken ausgelegt. „Unsere Technologie garantiert durch die Barrierewirkung der Ultrafiltrationsmembran einen nahezu vollständigen Bakterienrückhalt“ bestätigt er und ergänzt: „Selbst die hygienischen Vorgaben der europäischen Richtlinie für Badegewässer werden eingehalten“.

Die Nutzer der Hafen City Universität werden allerdings nicht baden in diesem Wasser – es dient schließlich nur zur Toilettenspülung.

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