Neue und verschärfte Parameter für Trinkwasser

Interview zur Trinkwasserverordnung 2023

Mit Verzögerung ist die neue Trinkwasserverordnung nun Ende März beschlossen worden. Auch wenn in ihr nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, so sei die Verordnung aus verschiedenen Gründen doch ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, sagt Günter Dülk, Geschäftsführer bei WimTec Sanitärprodukte, im Interview.

Günter Dülk, Geschäftsführer WimTec Sanitärprodukte.
Bild: WimTec Sanitärprodukte

Günter Dülk, Geschäftsführer WimTec Sanitärprodukte.
Bild: WimTec Sanitärprodukte
Das Thema Trinkwasserhygiene hat bei WimTec Tradition: Als Legionellen und Pseudomonaden noch lange nicht überall Thema waren, hat das Unternehmen bereits das Gesamtkonzept „HyPlus“ zur Wahrung der Trinkwasserqualität entwickelt. Dieses umfasst Armaturen und Speziallösungen für alle Wasserabgabestellen. Herzstück ist dabei die intelligente Stagnationsfreispülung, die bedarfsgerecht und kosteneffizient für einen regelmäßigen Wasseraustausch in der Trinkwasser-Installation sorgt. Darüber hinaus zeigt WimTec Engagement für qualitätsvolles Trinkwasser auch außerhalb seines Unternehmensbereichs: Der Hersteller ist Gründungsmitglied beim „Forum Wasserhygiene“ (www.forum-wasserhygiene.at). Dieses setzt sich für die Sensibilisierung der Menschen hinsichtlich des richtigen Umgangs mit dem Trinkwasser im Gebäude ein. Günter Dülk nimmt hier zu der neuen Trinkwasserverordnung Stellung.

SHK Profi: Wer ist für die Novellierung der Trinkwasserverordnung zuständig und wann kommt sie beziehungsweise wann tritt sie in Kraft?

Günter Dülk: Mit der Richtlinie 2020/2184 der EU wurde das europäische Rahmengerüst für die Sicherstellung der Qualitätsanforderungen von Wasser für den menschlichen Gebrauch völlig neu gergelt. Die Arbeiten daran begannen im Jahr 2015 und am 12. Januar 2021 trat die Richtlinie in Kraft. Demnach wäre sie bis 12. Januar 2023 in nationales Recht umzusetzen gewesen. Nur 7 der 27 Mitgliedsstaaten haben diese Frist eingehalten. Auch Deutschland ist säumig geblieben.

SHK Profi: Was ist dann jetzt der Stand?

Günter Dülk: Am 31. März 2023 wurde nun die zweite Verordnung zur Novellierung der Trinkwasserverordnung vom Bundesrat beschlossen, am 24. Juni 2023 ist sie in Kraft getreten. Verantwortlich für die Verzögerungen ist einerseits die Kompetenzverteilung in Deutschland: Das Umsetzen der EU-Trinkwasserrichtlinie fällt in die Zuständigkeit der Bundesministerien für Gesundheit, für Ernährung und Landwirtschaft, für Verteidigung, für Digitales und Verkehr sowie für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Andererseits waren weitere Themen, allen voran Corona und der Konflikt in der Ukraine, mit den daraus resultierenden Folgen hinderlich. Die höchsten Prioritäten wurden somit nicht unbedingt der Trinkwasserverordnung gezollt.

SHK Profi: Sind Sie mit den Ergebnissen zufrieden?

Günter Dülk: Die aus der zweiten Verordnung resultierende Trinkwasserverordnung ist in weiten Bereichen ein neu gegliedertes und neu verfasstes Dokument. Leider wurde der mögliche Umsetzungsrahmen der EU-Richtlinie 2020/2184 nicht ausgenutzt: So wurde der proaktive risikobasierte Ansatz eines Wassersicherheitsplans für die Hausinstallationen nicht übernommen. Geblieben ist der aus der bisher gültigen Verordnung bekannte reaktive Ansatz der Gefährdungsanalyse, die wohl aufgrund der europäischen Forderung in „Risikoabschätzung“ umbenannt wurde.

SHK Profi: Was ist in der Verordnung neu?

Günter Dülk: Der Einsatz von Stoffen, Gegenständen und Verfahren, deren Unbedenklichkeit nicht gesichert ist, wird erheblich eingeschränkt. Gefährliche Substanzen werden generell verboten. So gehören beispielsweise PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) zu den neu eingeführten Parametern, auf die die Wasserversorgungsunternehmen das Trinkwasser untersuchen müssen. Diese Chemikalien werden in der Natur nicht vollständig abgebaut und sind gesundheitsschädlich. Versorger müssen sie gegebenenfalls herausfiltern.

Zudem wurden die Kompetenzen der Gesundheitsämter erweitert. Es bleibt abzuwarten, ob die personell unterbesetzten Behörden die neuen Möglichkeiten einfordern. Verbraucher sind künftig umfassender zu informieren.

SHK Profi: Was hat sich im Vergleich zur bisher gültigen Trinkwasserverordnung geändert?

Günter Dülk: Die wesentlichste Änderung sind verschärfte Grenzwerte für bestehende Parameter sowie neue Grenzwerte für als nicht unbedenklich eingestufte Parameter. In einigen Bereichen gehen diese Anforderungen über die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO hinaus. Wird es von einem Gesundheitsamt als erforderlich erkannt, darf es Höchstwerte erlassen, wenn diese nicht in der Trinkwasserverordnung geregelt sind.

Außerdem dürfen beim Betrieb von Wasserversorgungsanlagen nur Stoffe oder Gegenstände mit Trinkwasser in Kontakt kommen und nur solche Verfahren angewendet werden, die dazu bestimmt sind, der Trinkwasserversorgung zu dienen. Das gilt ab 2025 auch in Bestandsanlagen. Selbst Teilstücke aus dem Werkstoff Blei sind bis 2026 auszutauschen oder die Leitungen stillzulegen.

Die Möglichkeiten von Anordnungen des Gesundheitsamts zur Gefahrenabwehr wurden ausgedehnt. In diesem Zusammenhang hat das Amt im Anlassfall auch die betroffenen Verbraucher zu beraten und es kann eine Risikoabschätzung auch dann einfordern, wenn der technische Maßnahmenwert für Legionellen nicht erreicht oder überschritten wurde. Allgemeine, ergänzende Informationen rund um „Trinkwasser“ gibt es beim Bundesumweltamt: www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/trinkwasser.

SHK Profi: Warum gibt es diese Änderungen?

Günter Dülk: Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 64/292 das Recht auf Wasser als Menschenrecht anerkannt. Gleichzeitig tragen unzählige Entwicklungen dazu bei, dass das Bereitstellen von Trinkwasser in ausreichender Menge und sicherer Qualität zu einer immer größeren Herausforderung wird.

Dazu zählen wachsende Ballungszentren mit steigender Bevölkerungszahl und umfangreich versiegelte Bodenflächen, regionale und saisonale Veränderungen der Niederschläge, steigende Temperaturen, intensive Landwirtschaft, sich in der Umwelt anreichernde Substanzen, die nicht oder nur sehr langsam abgebaut werden. Zudem sind die Grundwasserspiegel teilweise erheblich zurückgegangen, der Aufwand für das Aufbereiten von Roh- zu Trinkwasser steigt, ebenso der Wissensstand über das Gefährdungspotenzial verschiedenster Substanzen.

Folglich werden in der neuen Trinkwasserverordnung Parameterwerte verschärft oder neu aufgenommen. Aufwändigeres Aufbereiten und Verteilen bergen ein höheres Risiko von technischen Beeinträchtigungen. Ein Managementsystem hilft, dieses proaktiv zu verringern und im Schadensfall rasch wieder eine sichere Versorgung herzustellen. Dafür bietet die neue Verordnung neue Rahmenbedingungen.

SHK Profi: Zum Schluss bitte ein Ausblick: Wie geht es Ihrer Meinung nach mit der Trinkwasserverordnung weiter?

Günter Dülk: Die mit der zweiten Verordnung zur Novellierung beschlossene Trinkwasserverordnung ist ein guter Schritt in die richtige Richtung. Erstmals schreibt sie verpflichtende, umfassende Regelungen zur Gefährdungsanalyse und Risikoabschätzung für die Wasserversorgung vom Rohwasser bis zur Entnahmearmatur fest. Die Untersuchungspläne werden künftig passgenau auf die jeweilige Wasserversorgungsanlage ausgelegt werden können.

Auch wenn sich herausstellen sollte, dass alle Vorgaben der EU-Trinkwasserrichtlinie im erforderlichen Mindestausmaß umgesetzt sind, wurde die Idee des proaktiven risikobasierten Ansatzes nicht so konsequent wie möglich übernommen. Gemäß den europäischen Vorgaben sind Risikobewertung und -management bis 2029 durchzuführen. Es wäre also noch Zeit, die Verordnung nachzuschärfen.

SHK Profi: Und was ist Ihr konkreter Tipp an das SHK-Handwerk?

Günter Dülk: Alle Unternehmen aus der Sanitär-, Heizungs- und Klima-Branche sollten sich rechtzeitig über die Änderungen informieren. Letztendlich sind sie es, die dieses Wissen im ersten Schritt zu den Betreibern der Gebäude und auch zu den Investoren bringen müssen. Verbraucher haben mit der neuen Trinkwasserverordnung noch bessere Karten und können die Beratung und Unterstützung durch die Gesundheitsämter einfordern.

Info

Die Publikatiton „Die Trinkwasserverordnung 2023. Erläuterungen - Änderungen - Rechtstexte“ ist beim Beuth Verlag unter diesem Link erhältlich.

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