Integrale Planungsansätze erforderlich

Bundesweite Viega-Fachsymposien 2014 VDI-Fachbuch erschienen

In der Gebäudetechnik ist seit einigen Jahren ein Megatrend zu beobachten, der Planer und ausführende Gewerke vor große Herausforderungen stellt: die zunehmende Komplexität der Technischen Gebäudeausrüstung. Einflussgrößen wie Energieeffizienz und Komfortanspruch, Erhalt der Trinkwassergüte oder Anforderungen des Brandschutzes erzeugen häufig kontraproduktive Wechsel­wirkungen zwischen den Gewerken und Systemen. Die Folge: Planungsziele werden nicht erreicht oder lassen sich in fortgeschrittenen Planungsphasen nur noch mit Mehrkosten und Zeitverzug synchronisieren.

Wie die Risiken durch eine frühzeitige Integrale Planung erkannt und prozesssicher vermieden werden können, darüber informierte Systemanbieter Viega (www.viega.de) mehr als 3000 Planer im Rahmen der Fachsymposien „Planen in 360°“. Bundesweit fanden von Oktober bis Dezember 2014 zwölf dieser mit namhaften Referenten besetzten Veranstaltungen statt, zwei weitere Symposien in Österreich.

In der öffentlichen (Bau-)Diskussion sorgen herausfordernde Projekte wie das Gebäudeensemble am Potsdamer Platz in Berlin, das Militärhistorische Museum in Dresden, die mit Bauverzögerungen kämpfende Elbphilharmonie in Hamburg oder der neue Berliner Großflughafen immer wieder für Schlagzeilen. Denn sie zeichnen sich alle durch eine ungeheuer komplexe Gebäudetechnik aus, die aus Planersicht für einen nie dagewesenen Paradigmenwechsel steht: Über die zunehmenden Wechselwirkungen zwischen den Systemen der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) sowie teilweise gegenläufige Planungsziele rund um Betriebssicherheit, Energieeffizienz, Trinkwassergüte oder Vorbeugenden Brandschutz bekommen die Bauprojekte eine Dimension, die mit den herkömmlichen, „arbeitsteiligen“ Planungsprozessen nicht mehr zu bewältigen ist. In kleinerem Maßstab wiederholt sich der Konflikt im anspruchsvoll ausgestatteten Einfamilienhaus oder in komfortablen Geschossbauten.

Schon Konzeptionsphase ist entscheidend

Diesem Konflikt kann durch eine Integrale Planung erfolgreich begegnet werden, die auf einer in der Konzeptionsphase eines Objektes durchgeführten Bedarfsplanung aufsetzt. Das war die Kernbotschaft der Fachplaner-Symposiumsreihe „Planen in 360°“.

„Mit diesem Themenkreis und den in ihren Fachbereichen als Meinungsführer anerkannten Referenten ist es uns gelungen, das schwierige Thema ‚Inte­grale Planung‘ für die Fachplaner in einen umfassenden und praxisnahen Kontext zu setzen“, so Dirk Gellisch, Mitglied der Viega-Geschäftsleitung. „Denn gerade als Systemanbieter, der mit seinen Produkten zentrale TGA-Bereiche wie den Erhalt der Trinkwassergüte oder die Absicherung von Durchführungen an Brandschutz­abschnitten bedient, sind wir auch in der Verpflichtung, den hohen Qualitätsstandard der Ausführung mit abzusichern und dafür zu sorgen, dass die befürchteten Schnittstellenprobleme möglichst gar nicht erst entstehen.“

„TGA-Fachinegnieure
gehören nach vorn“

Der Auftaktredner im Viega-Symposium, Professor Achim Heidemann von der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, gehört zu den führenden Verfechtern eines integralen Planungsansatzes in der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA): Seit über 20 Jahren beschäftigt sich der Generalist und Experte für Technisches Facility Management mit diesem Thema. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen und seines gewerkeübergreifenden Fachwissens fordert er, die Rolle der Ingenieure neu zu definieren: „Im Bauplanungsprozess gehören die TGA-Ingenieure nach vorn!“

Professor Heidemann leitet diese Forderung unmittelbar aus der Planungspraxis ab, die von stark gestiegenen Anforderungen an die Funktionalität vor allem in Zweckbauten geprägt sei: „Mit der daraus resultierenden Komplexität der TGA aber sind das Tätigkeitsfeld und die Kompetenz der Architekten bei Weitem überschritten. Die heutigen Gebäude sind hochkomplexe technische Systeme.“ Die entscheidenden Fragen zum bestimmungsgemäßen Betrieb des Gebäudes müssten im Bauplanungsprozess dringend von anderen, eben von den TGA-Ingenieuren, gelöst werden: „Dazu gehört insbesondere, vor der eigentlichen Bauplanung eine Bedarfsplanung durchzuführen und gleich zu Beginn des anschließenden Planungsprozesses alle an dem Projekt Beteiligten möglichst frühzeitig an einen Tisch zu bekommen, um mit dem Bauherrn nicht nur die aktuell anstehende Nutzung zu erörtern, sondern über den Lebenszyklus des Gebäudes hinweg auch denkbare Nutzungsänderungen.“

Um eine integrale Planung zu realisieren, sei allerdings die Zusammenarbeit zwischen Architekten und TGA-Fachplanern neu zu definieren: „Die integrale Planung führt zwangsläufig zu Kompetenzüberschneidungen, die nur im offenen Gespräch aufgelöst werden können. Das setzt aber ein Grundvertrauen in der Zusammenarbeit voraus, in der allein das gemeinsame Ziel – die erfolgreiche Projektabwicklung – im Mittelpunkt steht.“

Eine solche Zusammenarbeit sei dabei, sagt Professor Achim Heidemann, jetzt sogar über die (im Mai 2013 novellierte) HOAI gedeckt: „Der TGA-Fachplaner hat das Anrecht auf eine genaue Beschreibung der Aufgabenstellung. Liegt diese nicht vor, ist eine Bedarfsplanung als besondere Leistung nach der Honorarordnung abrechenbar.“ Ähnlich sehe es bei der anschließenden Koordination der Gewerke aus, zu der der Architekt (nun gemäß novellierter HOAI) verpflichtet und entsprechend zu honorieren sei – oder eben der TGA-Fachplaner, dem diese Aufgabe übertragen werde.

Schnittstellenprobleme
eim Brandschutz

Welche dieser Schnittstellen besonders konfliktbeladen sein können, zeigte Brandoberrat a.D. Dipl.-Ing. Marc Stolbrink als Referent an diversen Fallbeispielen aus seiner Berufspraxis als Planer und Feuerwehrmann auf. Vor dem Hintergrund dieser Querschnittskompetenz stellte Stolbrink fest: „Rund 80 % der Konflikte entfallen auf eine unzureichende Trassenplanung an den Übergängen zu Wänden mit Brandschutzanforderungen. Und ausgerechnet dort, wo unterschiedlichste Leitungen wie in einem Nadelöhr geführt sind, wird der Brandschutz dann am wenigsten berücksichtigt.“ Als Konsequenz fordert Stolbrink eine frühzeitige und durchgehende Einbindung der Brandschutz-Ingenieure, da die Brandschutzplanung übergreifend fast alle Gewerke der TGA berühre.

Schnittstellen zum Erhalt
der Trinkwassergüte

Für eine sichere Betriebsphase eines Gebäudes sind in der TGA-Planung die Schnittstellen zum Erhalt der Trinkwassergüte entscheidend, machte Professor Dr. Thomas Kistemann deutlich. Professor Dr. Kistemann, u.a. Stellvertretender Direktor des Instituts für Hygiene & Public Health der Universität Bonn, hat sich in Forschung und Lehre schon seit vielen Jahren der Schnittstelle zwischen Wasser und Gesundheit verschrieben und kommt aktuell zu hochbrisanten Erkenntnissen: „Bisher haben wir zur Beurteilung der Trinkwassergüte in Trinkwasser-In­stal­la­tio­nen Probenahmestellen festgelegt und dort dann zum Beispiel Legionellen gezählt. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen aber, dass sich Trinkwasserhygiene nicht durch die alleinige Kontrolle von Endpunkten ‚prüfen‘ lässt, sondern über die Integrale Planung in einen kontinuierlichen Prozess gebracht werden muss, der durch einen Water Safety-Plan abzusichern ist.“

Legionellen in Trinkwasser-Installationen sind eine latente Bedrohung der menschlichen Gesundheit. Diese Bedrohung lasse sich aber drastisch verringern, wenn einige grundsätzliche Regeln eingehalten werden, sagt Professor Dr. Kistemann. „In erster Linie gehört dazu, bereits in der Planungsphase einer Trinkwasser-Installation das ‚Wirk-Dreieck‘ aus Temperaturhaltung, Wasseraustausch und Durchströmung zu berücksichtigen.“

Dass trotz der bauseitigen Voraussetzungen dann aber dennoch nicht unbedingt von hygienisch unbedenklichen Dauerzuständen in der Trinkwasser-Installation ausgegangen werden könne, zeigten jüngste Forschungsergebnisse. Daraus abgeleitet fordert der international tätige Hygieniker eine ganzheitliche Betrachtung und Überwachung des Gesamtsystems „Trinkwasser-Installation“. Anstelle der alleinigen Kontrolle des Endproduktes sei es notwendig, die Bereitstellung von Trinkwasser in der Trinkwasser-Installation als einen sich ständig in der Entwicklung befindlichen Prozess zu sehen.

Gewerkeübergreifende Energiekonzepte

Ein gewerkeübergreifendes Energiekon­zept forderte beim Viega-Symposium in Bonn Professor Dr.-Ing. Klaus Heikrodt. Als Professor für Energietechnik an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe und Regenerative Energien an der TU Dortmund kennt Dr. Heikrodt die Fein- und Besonderheiten der EnEV im Detail. Bei seiner Übertragung der theoretischen Gesetzestexte in die Baupraxis kommt Heikrodt zu dem Schluss: „Spätestens mit Inkrafttreten der novellierten EnEV in 2016 ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Architekten und TGA-Planern vom Start weg ein Muss“ und begründet es damit, „dass es gerade bei komplexen Projekten ohne TGA-Planer nicht mehr möglich sein wird, den erforderlichen EnEV-Nachweis für eine erfolgreiche Bauantragstellung zu erbringen.“

Schon heute gehört der Erfüllungsnachweis der Energieeinsparverordnung (EnEV) zum Umfang eines Bauantrags, doch „die Planungsspielräume, effiziente Anlagentechnik zu Lasten der Gebäude­dämmung zu rechnen, sind mit der letzten Neufassung der EnEV vorbei“, bringt Prof. Heikrodt eine kaum beachtete Konsequenz der EnEV 2014 auf den Punkt (wirksam ab 1. Januar 2016). „Damit“, so der Experte für Energietechnik weiter, „wird die Integrale Planung de facto vom Gesetzgeber verlangt.“

Als gesetzte Parameter dürfen künftig Mindeststandards bei Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Werte) von Fenstern, Türen, Dach und Wänden nicht mehr überschritten werden. Teilweise lassen sich die neuen Obergrenzen für den Jahresprimärenergiebedarf mit der typischen Anlagentechnik nicht mehr einhalten.

Die EnEV betrachtet also unter dem Aspekt der Gesamtenergieeffizienz die Bauphysik und Anlagentechnik jedes Gebäudes im Zusammenhang. Bauherren haben den gleichen ganzheitlichen Blick – vordergründig aus der Perspektive der Wirtschaftlichkeit. „Daher ist es unumgänglich, dass Architekten und TGA-Planer ihre jeweiligen Kompetenzen schon ganz am Anfang eines Projekts ebenfalls bündeln. Sonst ist bei den Lebenszykluskosten eine rentable Balance zwischen Erstellungskosten, Energieeinsparung und Betriebskosten nicht herzustellen“, plädiert Prof. Heikrodt nachdrücklich für die Integrale Planung.

Technische Lösungen
gibt es bereits

Als gelernter Gas- und Wasserinstallateurmeister kennt Viega-Seminarleiter Dieter Hellekes in der TGA kaum ein wichtigeres Thema als den Baulichen Brandschutz: „Im Gegensatz zu anderen Bereichen der Haustechnik können beim Baulichen Brandschutz eventuelle Planungs- oder Ausführungsmängel nicht einfach nachgebessert werden, sondern sind immer grundlegend zu beheben. Das ist in aller Regel mit Aufwand und erheblichen Kosten verbunden. Umso wichtiger sind brandschutztechnisch geprüfte Durchführungssysteme, mit denen man wie bei den Viega-Rohrleitungssystemen für unterschiedlichste Medien und Werkstoffe herstellerunabhängig fast ausnahmslos auf ‚Null-Abstand‘ gehen kann“, erläuterte er auf dem Symposium.

Als Systemanbieter sowohl von metallenen Rohrleitungssystemen als auch von Kunststoffrohrsystemen setze sich Viega seit vielen Jahren intensiv mit dem Vorbeugenden Brandschutz und den daraus resultierenden Herausforderungen in der Praxis auseinander, so Dieter Hellekes: „Für die Fachplaner war es bisher immer eine Herausforderung, ohne Kenntnis der später tatsächlich eingesetzten Rohrleitungssysteme knapp bemessene Schächte und Durchbrüche so zu planen, dass sie brandschutztechnisch regelgerecht mit den verschiedenen Medien belegt werden können.“ Dies gelte vor allem, seitdem vor zwei Jahren vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) neue Abstandsregelungen für unterschiedliche Durchführungssysteme in den Allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen (AbZ) festgelegt wurden.

„Mit unseren herstellerübergreifenden Prüfungen ist es jetzt aber möglich, die Viega-Rohrleitungssysteme werkstoff­unabhängig ohne geforderten Mindestabstand durch Feuerabschlüsse zu führen – selbst gegen Entwässerungs- sowie Abluftleitungen verschiedener Hersteller“, so Hellekes.

Für die Praktiker dürfte darüber hinaus besonders interessant sein, dass durch die Viega-Prüfungen auch die besonders wirtschaftlichen RS 800-Brandschutz­lösungen, die in dieser Form bisher nicht zugelassen waren, eingesetzt werden können.

„Integrale Planung“
als VDI-Fachbuch

Interessierte Fachplaner, die nicht an einem der Symposien „Planen in 360°“ teilnehmen konnten, seien auf das neue VDI-Fachbuch „Integrale Planung der Gebäudetechnik – Erhalt der Trinkwassergüte – Vorbeugender Brandschutz – Energieeffizienz“ mit einem Vorwort von Professor Dr.-Ing. U. Franzke verwiesen. In dem im Handel erhältlichen Fachbuch werden auf rund 400 Seiten die Inhalte der Vorträge des Fachsymposiums mit zahlreichen Tabellen und Abbildungen ausführlich erläutert.

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