Notwendigkeit oder lästiges Übel?

Lüftungsrichtlinie Dezentral lüften mit Wärmerückgewinnung

Nach § 6 Abs. 2 EnEV ist der gesundheitlich erforderliche Mindestluftwechsel in Wohngebäuden gesetzlich vorgeschrieben. Dies bedeutet in den meisten Fällen das eine Lüftungsanlage eingebaut werden muss. Die DIN 1946-6 „Lüftung von Wohnungen – Allgemeine Anforderungen, Anforderungen zur Bemessung, Ausführung und Kennzeichnung, Übergabe/Übernahme (Abnahme) und Instandhaltung“ fordert die Einhaltung des zum Zwecke der Gesundheit und Beheizung erforderlichen Mindestluftwechsels. Die Richtlinie legt weiterhin fest, dass bei Neubauten und Sanierungen von Wohngebäuden ein detailliertes Lüftungskonzept vorliegen muss. Liegt dieses Konzept nicht vor, haftet der Planer für spätere Feuchte- oder Schimmelschäden. Wird es korrekt erstellt und umgesetzt, werden sich die Ergebnisse unmittelbar und nachhaltig auszahlen: zuverlässig, automatisch frische Luft für die Nutzer, Werterhalt der Gebäude ohne Schimmelgefahr, Rechtssicherheit für Planer, stabile Aufträge für die Anbieter von Lüftungstechnik. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften ist in diesem Falle verblüffend einfach.

Frische Luft schnappen

Wie wichtig Luft ist, zeigen zahlreiche Redewendungen. „Es herrscht dicke Luft.“, „Es liegt etwas in der Luft“ oder „Ich muss frische Luft schnappen“. Luft ist ein unentbehrliches Lebensmittel. Der Mensch kann Wochen ohne Nahrung, Tage ohne Flüssigkeit, aber nur wenige Minuten ohne Luft auskommen. Dass die Luft in Wohn- und Arbeitsräumen oft aber alles andere als frisch ist, wird nicht immer problembewusst wahrgenommen. Oft enthält die Raumluft eine zu hohe Feuchtigkeit und zu wenig Sauerstoff. Hinzu kommen ein zu hoher CO2-Gehalt sowie Ausdünstungen aus Möbeln, Putzmitteln, Kunststoffen, Nikotin und Baustoffen wie Farben, Lacken etc.

Einen wesentlichen Anteil der Feuchtigkeit in Wohnräumen verursachen die Nutzer selbst. Die als „Wohnfeuchte“ bezeichnete Feuchtigkeit kann bereits als Folge der menschlichen Atmung oder von Schweiß entstehen. Darüber hinaus durch Duschen, Waschen oder Kochen.

Schimmelbefall steigt bei unzureichender Lüftung

Leider bietet ein solch feuchtes Raumklima die besten Voraussetzungen für Schimmelpilzbildung und Schimmelwachstum. Wenn Feuchtigkeit, Nährboden und ausreichende Temperatur über eine bestimmte Zeit vorhanden sind, wird der Schimmelpilzbefall ermöglicht. Die warme Luft speichert die Feuchtigkeit. Sobald sie auf kalte Stellen trifft, kondensiert sie: Es bilden sich nasse Stellen, meist an der Zimmerwand, die an der kalten Außenseite des Hauses liegt. Es entsteht Schimmel. Ausreichendes Lüften kann das Schimmelproblem verhindern. Schon fünf Minuten Stoßlüftung bei weit geöffneten Fenstern und dies mehrfach täglich können hier Abhilfe schaffen. Der Raum kühlt nicht aus, denn Wände und Möbel geben die gespeicherte Wärme so schnell nicht ab. Und die frische Luft wärmt sich rasch auf. Bei modernen Gebäuden macht allerdings der Lüftungswärmeverlust bei der Fensterlüftung 70 % der Heizenergie aus, alleine schon aus diesem Aspekt sind Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung sehr sinnvoll.

Ist Lüftung Nutzersache?

Bleibt die Frage, ob die Verantwortung für ausreichendes Lüften allein auf die Nutzer, in der Regel Mieter, übertragen werden kann. Nach aktueller Rechtsprechung ist es nicht so.

Das OLG Frankfurt a.M. sagt: „Privatrechtlich ist mehr als zweimaliges Stoßlüften am Tag nicht zumutbar.“ Die Minimalforderung von Raumhygieneexperten sind vier bis sechs Stoßlüftungen am Tag durch das Öffnen der Fenster für ca. zehn Minuten. Manche fordern sogar die Fenster alle zwei Stunden zu öffnen – auch nachts! Dies sei einem Mieter nicht zuzumuten, urteilen die Gerichte: Eine Wohnung müsse so beschaffen sein, dass bei einem üblichen Wohnverhalten die erforderliche Raumluftqualität ohne besondere eigene Lüftungsmaßnahmen gewährleistet ist.

Nach Informationen des Mieterverbandes wird rund die Hälfte aller Konflikte um Mietminderung durch Schimmelbefall ausgelöst. Der Vermieter darf aber die Probleme, die mit immer luftdichteren Wohnungen geschaffen werden, nicht einfach auf den Mieter verlagern. Der Vermieter wird von seiner Verantwortung nicht frei, wenn er unzumutbare Lüftungsmaßnahmen verlangt. Wie der Bundesverband für Wohnungslüftung informiert, muss er auf die sozialen Gegebenheiten Rücksicht nehmen: So stehen in der Regel Wohnungen über den Tag leer, wenn die Bewohner ihrer Arbeit nachgehen. Demnach kann nur morgens und abends gelüftet werden. Vor diesem Hintergrund entsprechen Gebäude, die ausschließlich durch Fensterlüftung belüftet werden, nicht dem aktuellen Stand der Technik. Architekten, Planer und SHK-Betriebe, die heute noch Gebäude ohne lüftungstechnische Maßnahmen planen, setzen sich erheblichen Haftungsrisiken aus.

DIN 1946-6 schreibt Lüftungskonzept vor

Nach § 6 Abs. 2 EnEV 2009 sind zu errichtende Gebäude (Wohnungen) so auszuführen, dass der zum Zwecke der Gesundheit und Beheizung erforderliche Mindestluftwechsel sichergestellt ist. Konkret gefasst ist diese Forderung in der im Mai 2009 überarbeiteten DIN 1946-6 „Lüftung von Wohnungen – Allgemeine Anforderungen, Anforderungen zur Bemessung, Ausführung und Kennzeichnung, Übergabe/Übernahme (Abnahme) und Instandhaltung”. Die Vorhaben der DIN 1946-6 geben dem Planer plausibel erklärbare Regelungen an die Hand. Zu beantworten ist für das Lüftungskonzept nämlich allein die Frage: Wird das neue oder modernisierte Gebäude über die Gebäudeundichtigkeiten ausreichend belüftet und welche zusätzlichen, lüftungstechnischen Maßnahmen sind notwendig, um nutzerunabhängig einen ausreichenden Luftwechsel zu gewährleisten?

Wohngebäude sind im Laufe der aktuellen Entwicklung, den Energieverbrauch zu senken, immer dichter geworden, die Notwendigkeit eines ausreichenden Luftwechsels aus bautechnischen und hygienischen Gründen besteht jedoch unverändert weiter. Um diesen Nachweis zu erbringen, muss nach der DIN 1946-6 bei neuen Gebäuden oder wenn bestehende Gebäude modernisiert werden, ein Lüftungskonzept erstellt werden. Dies umfasst auch Teilmodernisierungen, denn als Modernisierung gelten nach dieser Norm alle lüftungstechnisch relevanten Änderungen am Gebäude. Es muss also ein Lüftungskonzept erstellt werden, wenn bei einem:

Mehrfamilienhaus (MFH) 1/3 aller Fenster ausgetauscht werden und bei einem

Einfamilienhaus ebenfalls 1/3 aller Fenster ausgetauscht werden oder mehr als 1/3 der Dachfläche abgedichtet wird.

Vier Lüftungsstufen

Kernstück der Norm ist die Festlegung von vier Lüftungsstufen unterschiedlicher Intensität:

Lüftung zum Feuchteschutz

Lüftung in Abhängigkeit vom Wärmeschutzniveau des Gebäudes zur Gewährleistung des Bautenschutzes (Feuchte) unter üblichen Nutzungsbedingungen bei teilweise reduzierten Feuchtelasten (z. B. zeitweilige Abwesenheit der Nutzer, Verzicht auf Wäschetrocknung). Diese Stufe muss gemäß Norm ständig und nutzerunabhängig sichergestellt sein.

Reduzierte Lüftung
(Nutzerunabhängige Lüftung)

Zusätzlich notwendige Lüftung zur Gewährleistung des hygienischen Mindeststandards (Schadstoffbelastung) und Bautenschutzes bei zeitweiliger Abwesenheit des Nutzers. Diese Stufe muss weitestgehend nutzerunabhängig sicher gestellt sein.

Nennlüftung

Beschreibt die notwendige Lüftung zur Gewährleistung der hygienischen und gesundheitlichen Erfordernisse sowie des Bautenschutzes bei Normalnutzung der Wohnung. Der Nutzer kann hierzu teilweise mit aktiver Fensterlüftung herangezogen werden.

Intensivlüftung

Dient dem Abbau von Lastspitzen (z. B. durch Kochen, Waschen) und auch hier kann der Nutzer teilweise mit aktiver Fensterlüftung herangezogen werden.

Einfache Lösung:

dezentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung

Die Lüftungsaufgabe kann den Bewohnern durch moderne Lüftungsanlagen abgenommen werden. Zuverlässig und automatisch, rund um die Uhr. Durch sie wird die Immobilie kontinuierlich mit Frischluft versorgt. Schäden durch Schimmel und Feuchtigkeit gehören der Vergangenheit an. Der Wert der Immobilie wird erhalten. Eine Möglichkeit, den lüftungstechnischen Anforderungen der DIN EN 1946-6 gerecht zu werden, ist die kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung. So können die Vorteile einer dichten Gebäudehülle bestmöglich genutzt und unnötige Lüftungswärmeverluste verhindert werden.

Wesentliche Argumente für eine dezentrale Lüftungsanlage sind die Wärmerückgewinnung bis 91 %, die mögliche Einsparung der Jahresheizenergie, die sehr geringe elektrische Hilfsenergie, ein hocheffizienter Gleichstromantrieb, keine Abschläge für elektrische Nachheizung, Übergabe, Frostschutz u.ä. sowie die Förderfähigkeit der Maßnahme. Außerdem müssen im Gebäude keine Kanäle und Leitungen verlegt werden. Eine Nachrüstung ist damit leicht möglich. Die Lüftungsgeräte „verschwinden“ in der Wand, Filter und Abdeckungen können der Raum- bzw. Außenwandfarbe angepasst werden. Die Montage für ein Einfamilienhaus dauert weniger als einen Tag.

Generell ist es empfehlenswert, bei der Auswahl der Lüftungsanlage eine primärenergetische Bewertung zu Grunde zu legen. Dafür kann der Architekt auf das fundierte Wissen im Bereich Haustechnik, insbesondere Lüftung, von Energieberatern zurückgreifen.

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