Unterstützung aus Spanien

Nachwuchssicherung aus dem europäischen Ausland Eine gute Lösung für beide Seiten

Seit August bildet der Frankfurter Installationsbetrieb Bruder & Feucht zwei spanische Jugendliche zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik aus. Für beide Seiten ist das eine große Chance.

Werkstättenunterricht, Deutschkurs, Berufsschule, Arbeitseinsätze im Ausbildungsbetrieb. Jamel (25) und Julian (21) pendeln derzeit ständig zwischen ihrer neuen Wahlheimat Frankfurt-Nieder-Eschbach und den Ausbildungsstätten der Handwerkskammer Rhein-Main hin und her. Fernab ihrer Heimat haben die beiden Spanier im August in dem Innungsbetrieb Bruder & Feucht ihre Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik aufgenommen. „Das ist ein Riesenschritt für die Jungs“, weiß Sonja Feucht, Geschäftsführende Gesellschafterin des Innungsbetriebs. „In unserem kleinen, familiären Betrieb kümmert sich daher jeder im Team darum, dass es den beiden gut geht und sie sich entwickeln können.“

Projekt zur Fachkräftesicherung

Die Anstellung der Madrilenen ist Folge eines Projekts zur Fachkräftesicherung zwischen der hessischen Landesregierung und der Autonomen Gemeinschaft Madrid. „Gerade das Handwerk braucht junge, zupackende Leute,“ sagt auch Peter Paul Thoma, Obermeister der Innung SHK Frankfurt am Main. „Daher sollten wir alles daransetzen, jungen Europäern die Chancen zu geben, sich hier etwas aufzubauen.“ In der Tat hatte Bruder + Feucht für 2013 keine einzige inländische Bewerbung erhalten. Daher war die Hoffnung groß, über den Austausch mit Spanien motivierte Auszubildende zu erhalten. Diese Erwartungen haben Jamel und Julian mehr als erfüllt. „Sie sind sehr motiviert, freundlich und zuverlässig“, schwärmt Sonja Feucht. Dabei waren die beiden bislang noch eher auf Stippvisite im Unternehmen. Die 35 spanischen Azubis, die im Rahmen des Austauschs eine Ausbildung im Rhein-Main-Gebiet begonnen haben, werden im ersten Lehrjahr noch vorwiegend in den Berufsbildungszentren der Handwerkskammer geschult. Erst ab August wechseln sich dann Berufsschule und Lernzeiten im Betrieb ganz normal ab. Dennoch konnten sich Jamel und Julian bereits einen Überblick über alle für die Ausbildung erforderlichen Bereiche verschaffen. „Wenn wir vor Ort sind, fahren wir immer mit zum Kunden oder auf die Baustellen“, berichtet Jamel. Die Zusammenarbeit mit den Kundendienstmonteuren bei den Auftraggebern vor Ort macht ihm am meisten Spaß. „Ich werde auch von den Kunden als europäischer Auszubildender akzeptiert und die Reaktionen sind sehr positiv“, fügt er hinzu. Beim Firmenumzug haben sie ebenfalls geholfen und waren natürlich bei der Weihnachtsfeier dabei. „Wir sind ganz klar schon jetzt Teil des Teams“, freut sich der 25-Jährige.

Unterstützung in allen Lebenslagen

Tatkräftige Unterstützung erhielten die beiden daher auch bei der Wohnungssuche. Familie Feucht konnte ihnen kleine Appartments vor Ort vermitteln. „Bei anderen organisatorischen Fragen – Kontoeröffnung, Krankenkassenwahl, Anstellungsvertrag – hat die Handwerkskammer uns toll beraten“, lobt Sonja Feucht. Die größte Herausforderung ist indes noch immer die Sprache. Die spanischen Kollegen verstehen inzwischen zwar alles, können aber selbst noch nicht immer genau ausdrücken, was sie wissen wollen. Der Deutschkurs, ein- bis zweimal die Woche, bleibt daher auch weiterhin Pflichtveranstaltung.

Jamel und Julian haben ihren Entschluss bislang nicht bereut. In Zeiten, in denen die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien bei über 50 % liegt, ist die Ausbildung in Deutschland für beide eine große Zukunftschance – zumal die Aussicht besteht, dauerhaft übernommen zu werden.

Interview mit Peter Paul Thoma, Obermeister der Innung SHK Frankfurt a. M.
„Sind spanische Azubis die Lösung?“

Herr Thoma, zwei Ihrer Innungsbetriebe bilden erstmals zwei Jugendliche aus Spanien aus. Sind motivierte Jugendliche aus dem europäischen Ausland die neuen Hoffnungsträger deutscher Handwerksbetriebe?

Thoma: Ein klares Ja. Ohne junge Menschen aus dem Ausland würde Deutschland überaltern. Und gerade das Handwerk braucht junge, zupackende Leute. Wir suchen zurzeit händeringend nach Nachwuchs. Daher sollten wir alles daransetzen, jungen Europäern die Chance zu geben, sich hier etwas aufzubauen – auch indem wir sie unterstützen, die Sprache zu lernen und sich zu integrieren. Und selbst, wenn die jungen Leute wieder in ihre Heimatländer zurückkehren: Sie werden dort unser Know-How und unsere Produkte anwenden – das dient beiden Seiten!

Mit Beginn des nächsten Ausbildungsjahres erhalten die Betriebe, die erfolgreich ausbilden, von der Innung finanzielle Unterstützung? Wie sieht diese im Detail aus und was versprechen Sie sich davon?

Thoma: Auf ihrer letzten Innungsversammlung wurde verabschiedet, dass die Innung künftig die für Mitgliedsbetriebe anfallenden Prüfungsgebühren bei bestandener Gesellenprüfung zurückerstattet. Damit werden die Betriebe, die sich engagieren und erfolgreich ausbilden, belohnt und bekommen als Anerkennung einen kleinen Teil der Investition zurück. Wir wollen damit auch ein deutliches Zeichen nach außen setzen und zeigen, wie wichtig uns gute Nachwuchsarbeit ist und die Betriebe motivieren, die bisher nicht ausgebildet haben.

Herr Thoma, hat das deutsche Handwerk die Entwicklungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt in den letzten zehn Jahren komplett verschlafen. Oder wie erklären sie sich, dass qualifizierte Bewerber/gute Schulabgänger keine Lust auf das Handwerk haben?

Thoma: Das Handwerk hat teilweise kein gutes Image und in der Öffentlichkeit wird handwerkliche Leistung nicht ausreichend gewürdigt. Dabei sind die Verdienstmöglichkeiten auch für diejenigen, die sich nicht selbstständig machen, immer noch gut. Und der Beruf bietet die Möglichkeit, sich weiterzubilden und Karriere zu machen. Die gegenwärtige Kampagne des Handwerks ist gut, ob vorher Entwicklungen verschlafen wurden, vermag ich nicht zu sagen. Es gibt hierzulande einfach generell zu wenig Nachwuchs.

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