Technische Dämmstoffe

Wissenswertes zu CE & Co.

Europäische Brandklassen

In diesem zweiteiligen Artikel wird die Bedeutung der europäischen Produktstandards für technische Isolierungen für die Branchenteilnehmer erläutert und kritisch diskutiert. Gleichzeitig wird der Weg beschrieben, den Hersteller technischer Dämmstoffe beschreiten müssen, um eine CE-Kennzeichnung ihrer Produkte zu erreichen.


Im August 2012 ist es soweit: Dann dürfen in Europa nur noch technische Dämmstoffe vertrieben werden, die den europäischen Produktstandards entsprechen und das CE-Zeichen tragen.

Für die wesentlichen Produkteigenschaften technischer Dämmstoffe – wie Wärmeleitfähigkeit, Wasserdampfdiffusionswiderstand, Brandverhalten, Toleranzen etc. – gilt dann erstmals ein verbindlicher Rahmen. Die hierdurch gewonnene Transparenz ermöglicht Planern, Händlern und Fachverarbeitern einen direkten und schnellen Vergleich der angebotenen Produkte. Der „Product designation code“ (Bezeichnungsschlüssel) gibt Auskunft über diese wesentlichen Produkteigenschaften. Darüber hinaus bringt die CE-Kennzeichnung Verarbeitern auch Vorteile hinsichtlich der Produkthaftung.

Der Weg zu europäischen Produktstandards für technische Isolierungen

„Was lange währt, wird endlich gut“ ist man geneigt zu sagen, wenn man den langen Weg zur Erstellung und Verabschiedung der europäischen Produktstandards für technische Isolierungen betrachtet. Der gesamte Vorgang hat sich über
20 Jahre erstreckt, sodass viele der ursprünglichen Teilnehmer und Mitglieder der relevanten technischen Ausschüsse die Einführung dieser Normenreihe aus ihrem Ruhestand heraus erleben dürfen. Die europäischen Produktstandards für Dämmstoffe für die technische Gebäudeausrüstung und für betriebstechnische Anlagen in der Industrie sind Mitte 2009 von den nationalen Normenorganisationen im CEN (Comité Européen de Normalisation) verabschiedet und im Juni 2010 im Amtsblatt der Europäischen Union publiziert worden [1]. Nach Ablauf der Übergangsphase werden in den EU-Ländern nur noch technische Isolierungen vertrieben wer­den dürfen, die den europäischen Produktstandards (und damit der Bauproduktenrichtlinie bzw. der Bauproduktenverordnung) entsprechen und das CE-Zeichen tragen. Erste technische Dämmstoffe mit CE-Kennzeichnung – wie beispielsweise das „Armaflex“-Sortiment von Armacell (www.armacell.de) (s. Foto 1) – werden bereits seit Anfang 2012 angeboten.

Die europäischen Produktstandards
für die technischen Dämmstoffe wurden in den Ausschüssen des CEN TC 88 / WG 10 erarbeitet und werden daher im Folgenden als „WG10 Produktstandards“ bezeichnet (s. Abbildung 1). Mit ihrer Verabschiedung verfügt die Branche der technischen Isolierungen jetzt erstmals über europaweit akzeptierte Definitionen und Klassifizierungen – und damit einer eindeutigen Nomenklatur – ihrer Produkte.

Mit dem „Construct 09/873“ [2] hat die Europäische Kommission (Generaldirektorat Unternehmen und Industrie) im Januar 2010 den zeitlichen Ablauf der Einführung der WG 10 Produktstandards festgelegt. Nach der Publikation der Produktstandards im Amtsblatt der Europäischen Union im Juni 2010 begann im August die sogenannte Koexistenzperiode (die Zeit, in der nationale Standards/Regelungen, die im Widerspruch zu den europäischen Produktstandards stehen, noch verwendet werden dürfen). Diese Periode endet im August 2012. Die längere Koexistenzperiode (üblicherweise 12, in diesem Fall 24 Monate) ist der Tatsache geschuldet, dass erwartet wurde, dass die akkreditierten Prüfinstitute mit der angenommenen hohen Zahl der Prüfaufträge zur CE-Kennzeichnung sehr wahrscheinlich überfordert sein würden.

Die WG10 Normen sind als Normenpaket in sich relativ einheitlich und somit auch als untereinander „harmonisiert“ zu bezeichnen (s. Abbildung 2). Die „Gebrauchsfähigkeit“ der WG10 Produktnormen und ihrer Festlegungen wird sich nun in der täglichen Praxis beweisen müssen. Korrekturen bzw. Veränderungen werden gemäß dem festgeschriebenen CEN-Verfahren nach vier Jahren, spätestens jedoch nach fünf Jahren, im Rahmen der Normenrevision durchgeführt.

Voraussetzungen zur Erlangung des CE-Zeichens

Das CE-Zeichen ist Ausdruck und sichtbares Zeichen der Übereinstimmung des Produktes mit den Anforderungen der jeweiligen europäischen Richtlinie, in unserem Fall also mit der Bauproduktenrichtlinie. Die in der Bauproduktenrichtlinie definierten „wesentlichen Anforderungen“ werden in den Produktstandards konkretisiert.

Die Bewertung der Konformität eines Produktes mit der entsprechenden Richtlinie (bzw. den entsprechenden Richtlinien, wenn mehrere zu erfüllen sind) ist Voraussetzung für die rechtlich verbindliche Konformitätserklärung (mit Nutzung des CE-Zeichens). Eine Übereinstimmung mit den Richtlinien liegt vor, wenn die dort formulierten wesentlichen Anforderungen erfüllt sind. Der Hersteller ist zu einer Konformitätsbewertung verpflichtet. Mit dem Beschluss 93/465/EWG [3] des Europäischen Rates von 1993 ist ein grundlegendes Gesamtkonzept für die Konformitätsbewertung aktualisiert und vervollständigt worden.


Die Leitlinien dieses Konzeptes sind:

a) das modulare Bewertungskonzept;

b) die Kriterien für die Verfahrensanwendung und

c) die Benennung der zuständigen Stellen (notified bodies).

 

Dieser Kernbeschluss zur Bewertung der Konformität vereinheitlicht auch die Regeln für die Anbringung und Verwendung der CE-Kennzeichnung und macht noch einmal deutlich, dass die Bewertung der Konformität auch im Hinblick auf Sicherheit, Gesundheitsschutz und Verbraucherschutz erfolgt.

 

Um das CE-Zeichen zu erlangen, müssen die Maßgaben der jeweiligen harmonisierten Produktstandards erfüllt werden. Konkret bedeutet dies für die WG10 Standards, dass

a) eine Erstprüfung (Initial Type Test, ITT) durchzuführen ist. Die­se folgt den Fest­legungen der EN 13 172 [4] und des jeweiligen Produktstandards (Abschnitt ZA.2);

b) werkseigene Produktionskontrollen (Factory Production Control, FPC) etabliert werden müssen. Diese sind in den Anhängen A der WG 10 Normen spezifiziert.

 

Die Produkteigenschaften, für die eine Erstprüfung durchzuführen ist, finden sich (abhängig vom anzuwendenden Konformitätssystem) in den Tabellen ZA.3 bzw. ZA.4 der Produktstandards bzw. im Anhang E der EN 13 172.


Diese sind:

Wärmedurchlasswiderstand / Wärmeleitfähigkeit und Dicke;

Abgabe gefährlicher Substanzen (zurzeit wegen fehlendem Prüfverfahren nicht relevant);

Abgabe korrodierender Substanzen;

Druckspannung/Druckfestigkeit (für Anwendungen unter Belastung);

Wasseraufnahme (worunter auch der Wasserdampfdiffusionswiderstand zu subsumieren ist) und das

Brandverhalten (für Anwendungen, die Regelungen über das Brandverhalten unterworfen sind, außer bei System 4).

 

Für Dämmstoffe, die mit einer Konformitätsbescheinigung (CE-Zeichen) versehen werden sollen, werden gemäß DIN EN 13 172 [4] im Wesentlichen drei Bewertungssysteme (Systeme 1, 3 und 4) angeboten. Abhängig vom Brandverhalten der Produkte findet evtl. eine Kombination dieser Bewertungssysteme mit dem Ziel der Konformitätsbescheinigung statt.

Für Dämmstoffe, deren Brandeigenschaften im Produktionsprozess variiert werden können, sind die Erstprüfungen von einer zugelassenen Stelle (approved bzw. notified body) durchzuführen.

Die werkseigene Produktionskontrolle wird für die Eigenschaften durchgeführt, die gemäß Produktstandards für alle Anwendungen relevant sind (Abschnitt 4.2. der jeweiligen WG 10 Produktstandards) bzw. für selektive Eigenschaften des Abschnittes 4.3. (für bestimmte Anwendungsfälle). Dies bedeutet je nach Wahl der notwendigen Eigenschaften (d.h. dem vorgesehenen Einsatz eines Dämmstoffes) einen erheblichen Test- und Organisa­tionsaufwand für die Hersteller.

Die CE-Kennzeichnung besagt, dass das Produkt den relevanten nationalen technischen Normen (die die harmonisierten technischen Normen umsetzen), den europäischen technischen Zulassungen oder einer nationalen technischen Spezifikation gem. Art 4 (3) BPR entspricht und dass das auf das Produkt bezogene System der Bescheinigung der Konformität gemäß europäischem Ratsbeschluss (bzw. daraus abgeleitetem Normenwerk) angewandt wurde.

Die CE-Kennzeichnung ist gut sichtbar, leserlich und dauerhaft auf dem Produkt anzubringen. Falls die Art des Produktes dies – wie im Fall technischer Dämmstoffe – nicht zulässt, kann es auch auf der Verpackung oder (falls vorhanden) dem Begleitdokument angebracht werden. Der sogenannte „Product designation code“ (Bezeichnungsschlüssel) gibt Auskunft über wesentliche Produkteigenschaften. Dies sind im Falle technischer Dämmstoffe beispielsweise die Anwendungsgrenztemperaturen, die Brandklassifizierung und der Wasserdampfdiffusionswiderstand (s. Foto 2).

Verantwortlich für das Anbringen des CE-Kennzeichens ist der Hersteller bzw. sein autorisierter rechtlicher Vertreter innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums. Mit dem CE-Zeichen sind auch die benannte Stelle (also das zertifizierende Institut), der wesentliche Einsatzbereich und die „harmonisierten“ (technischen) Eigenschaften zu nennen.

Die Konformitätserklärung soll in der offiziellen Sprache des Mitgliedlandes ausgestellt werden, in dem das Produkt angewandt wird. Auch hier ist der Hersteller für die korrekte Übersetzung verantwortlich. Es versteht sich von selbst, dass abhängig vom Verfahren der Konformitätsbewertung eine mehr oder minder umfangreiche Dokumentation erstellt und gemäß Produkthaftungsgesetz mindestens zehn Jahre aufbewahrt werden muss.

Diese Dokumentation kann z.B. im Zweifelsfall oder im Streitfall als Beweisdokument dienen und muss dann den entsprechenden staatlichen Behörden (z.B. der Staatsanwaltschaft) zur Einsicht vorgelegt werden. Womit sich die Frage stellt, was passiert, wenn das CE-Kennzeichen verwendet wird, ohne dass die hier dargelegten Maßnahmen berücksichtigt und durchgeführt wurden? Die Antwort ist einfach: Dies würde den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllen und könnte mit Bußgeldern von bis zu 50 000 € belegt werden (§ 14, BauPG) [5].

Die Kontrolle der Einhaltung der CE-Richtlinien wird in erster Linie von den Gewerbeaufsichtsbehörden bzw. Bauaufsichtsbehörden durchgeführt. Darüber hinaus setzt die Europäische Union aber auch auf eine Selbstkontrolle des Marktes: Das Auge der Konkurrenz soll eine wirkungsvolle Kontrollinstanz sein!

Sind für ein Dämmprodukt alle beschriebenen Maßnahmen zur CE-Kennzeichnung erfolgreich absolviert worden, darf der Verkauf dieses Produktes innerhalb der Europäischen Union nicht behindert werden. In diesem Sinn dient die CE-Kennzeichnung auch als „Warenpass“ und ist daher im engeren Sinne nicht als Güte­siegel zu verstehen. Ausdrücklich wird daher darauf hingewiesen, dass das CE-Zeichen nicht zu Werbezwecken dienen soll – da ja zukünftig alle Produkte, für die Richtlinien nach dem neuen Konzept gelten, das CE-Zeichen tragen werden.


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