Technische Dämmstoffe (Teil 2)

Wissenswertes zu CE & Co.

Europäische Brandklassen

In diesem zweiteiligen Artikel wird die Bedeutung der europäischen Produktstandards für technische Isolierungen für die Branchenteilnehmer erläutert und kritisch diskutiert. Gleichzeitig wird der Weg beschrieben, den Hersteller technischer Dämmstoffe beschreiten müssen, um eine CE-Kennzeichnung ihrer Produkte zu erreichen.

Europäische Brand­klassifizierung technischer Dämmstoffe

Eine wesentliche Neuerung, die die CE-Zertifizierung techni­scher Dämmstoffe mit sich bringt, ist die Ablösung der bisherigen nationalen Brandklassifizierungen durch einheitliche europäische Brandklassen.

Die bisherige Klassifizierung des Brandverhaltens spiegelte das nationale Sicherheitskonzept der jeweiligen Länder wider. Obwohl konzeptionell Ähnlichkeiten fest­stellbar sind, unterschieden sich die nationalen „Feuer-Philosophien“ und Testme­thoden in bestimmten Punkten beträchtlich voneinander. Die unterschiedlichen Baustoffklassifizierungen der verschiedenen Länder waren daher nicht unmittelbar mitein­ander vergleichbar. Mit der Einführung der europäischen Brandklassen, der „Euroklassen“, wurden die unterschiedlichen „Feuer-Philosophien“ und Testmethoden harmonisiert.

Die Klassifizierung des Brandverhaltens nach Euroklassen ist nach EN 13501-1[7] durchzuführen. Für ebene elastomere Produkte sind die Grenzwerte der Tabelle 1 der EN 13501-1 und für lineare elastomere Produkte die Werte der Tabelle 3 anzu­wenden. Die Euroklassen und die zugehörigen Testmethoden sind in Abb. 4 darge­stellt.

Für brennbare technische Dämmstoffe kommen folglich das SBI-Prüfverfahren (Single Burning Item; EN 13823, [8]) und die sogenannte Entzündbarkeitsprüfung (EN ISO 11925-2, [9]) zum Einsatz.

Beim SBI-Test wird der potentielle Beitrag eines Bauproduktes zu einem sich entwi­ckelnden Brand bei einer Brandsituation bewertet, die einen einzelnen, brennenden Gegenstand (Single Burning Item: SBI) in einer Raumecke nahe an
diesem Baupro­dukt simuliert (Abb. 3).

Der Entzündbarkeitstest hingegen bewertet die Entzündbarkeit eines Bauprodukts, indem es einer kleinen Flamme ausgesetzt wird.

Die neue Klassifizierung nutzt die bereits für andere Bauprodukte geltenden sieben Brandklassen A bis F. Für Rohrisolierungen wird die Klassifizierung um ein tiefgestelltes „L“ (für „linear products“) erweitert. Neu sind auch die Angaben für Rauchbildung und brennendes Abtropfen, die mit „s“ (für „smoke“) und „d“ (für „droplets“) bezeichnet werden.

Die für das Brandverhalten relevanten Grenzwerte für lineare Produkte sind im Ver­gleich zu den Klassifizierungswerten für ebene Produkte um einiges höher, d.h. leichter zu erreichen. Der Grund hierfür liegt im gewählten Referenzszenario, das im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes unter Federführung des schwedischen Prüfinstituts SP im Jahre 2002 durchgeführt wurde [10]. In diesem Projekt ist der Room/Corner Test als Referenzszenarium für die Beurteilung von linearen Dämm­stoffen im SBI-Test herangezogen worden. Neben dem Nachweis einer sehr guten Korre­lation der Prüfergebnisse beider Verfahren ist eine realistische Anordnung/Anzahl von zu dämmenden Rohrleitungen gewählt worden, die zu einer ebenso realistischen Festlegung der Klassifizierungsgrenzen führte.

Elastomere technische Dämmstoffe, die sogenannten FEF-Produkte, erreichen im SBI-Test – abhängig von der Dämmstoffart – typischerweise Brandklassifizierungen von D-s3, d0 bis B/BL-s3, d0.

In Deutschland wurde die Übertragung der nationalen zu den europäischen Brandklassen bereits 2002 vom Deutschen Institut für Bautechnik (DiBt) durchgeführt [11]. Die deutsche Transposition beachtet dabei die Festlegungen der Bauproduktenrichtlinie und der Leitlinie E („Levels and classes in the Construction Product Directive“) [12] und ist damit im besten Sinne zugleich rea­listisch und „marktgerecht“. Die wesentliche Aussage der Leitlinie E (Abschnitt 4.11) lautet sinngemäß: Ein Produkt, das seit Jahren in einem spezifischen Markt bekannt ist und erfolgreich eingesetzt wird, darf im Verlauf der Übernahme von europäischen Regelungen oder Standards durch ein spezielles Mitgliedsland nicht aus diesem Markt ausgeschlossen werden.

In anderen europäischen Ländern wurde hingegen versucht, die Gelegenheit der Übertragung der Euroklassen in nationales Recht zu nutzen, um wesentliche Verän­derungen im nationalen Klassifizierungssystem mit dem Argument einer vermeintli­chen Erhöhung der Sicherheit durch die „Hintertür“ einzuführen. Dies führt in einigen Fällen dazu, dass Produkte, die bereits seit Jahrzehnten in den jeweiligen Ländern gemäß bisheriger Klassifizierung ohne Probleme erfolgreich eingesetzt wurden, zu­künftig vom Marktgeschehen ausgeschlossen werden könnten. Dies widerspricht jedoch der „Nicht-Diskriminierungs-Regel“ der Leitlinie E zur Bauproduk­tenrichtlinie und würde mithin die Idee der CE-Kennzeichnung (Marktöffnung, Libera­lisierung und Abbau von Handelshemmnissen) konterkarieren.

 

Bedeutung der CE-Kennzeichnung für die Markteilnehmer

Die europäischen Produktstandards und die CE-Kennzeichnung technischer Isolierungen bieten allen Marktteilnehmern (Herstellern, Händlern, Fachverarbeitern, ausschreibenden Stellen etc.) verbesserte Möglichkeiten, das Marktgeschehen voranzutreiben bzw. zu entwickeln und ihre jeweiligen Ziele zu erreichen.

Die Harmonisierung der Testmethoden und Klassifizierungen ist bei allen kritikwürdigen Punkten im Wesentlichen gut gelungen und damit einen großen Schritt vorwärts gekommen. Natürlich ist das nicht das Ende der Entwicklung. Im Rahmen der kommenden Überprüfungen der harmonisierten Standards müssen noch einige Details angepasst und mit zunehmender Erfahrung auch verändert werden – aber der Schritt der Europäischen Harmonisierung auf technischem Gebiet scheint zunächst gelungen.

Für die Hersteller technischer Isolierungen steht jedoch außer Frage, dass z.B. die Europäischen Brandklassen nicht neben nationalen Brandklassen stehen dürfen oder das gar – wie in einigen EU-Ländern bereits gang und gäbe – zusätzliche nationale Anforderungen zum bereits definierten System der EU-Brandklassifizierung etabliert werden. Das Ziel, Handelsbarrieren zwischen den EU-Mitgliedsländern abzubauen, würde so konterkariert bzw. ad absurdum geführt.

Die Konformitätserklärung mit dem CE-Zeichen im Rahmen der Bauproduktenrichtlinie und unter Nutzung der jetzt akzeptierten harmonisierten Produktstandards (inklusive der klar definierten Anforderungen zur Erlangung europäischer Brandklassen für technische Dämmstoffe) sollte der Königsweg sein, um auch nationale Vorschriften zu erfüllen und damit die Berechtigung zu erlangen, das jeweilige Produkt verwenden zu dürfen. Zudem muss auch das Verhältnis zwischen CE-Kennzeichnung und anderen „freiwilligen” Kennzeichnungen der Produkte (Keymark/DIN Certco etc.) geklärt werden.

Schenkt man der Europäischen Kommission Glauben, müsste mit Einführung des CE-Zeichens auch auf dem Gebiet der technischen Isolierungen mehr Sicherheit Einzug halten. Zumindest werden alle Marktteilnehmer eine bessere Basis für ihre technischen bzw. kaufmännischen oder gar rechtlichen Entscheidungen haben.

Hersteller technischer Dämmstoffe müssen den Vorgaben und Definitionen der Produktstandards folgen, was von einigen als Nachteil empfunden werden mag, jedoch auch enorme Chancen bietet. Beispielsweise werden Hersteller zum ersten Mal die Chance haben, tatsächlich ein Produkt für den gesamten europäischen Markt zu entwickeln, das über alle Ländergrenzen hinweg vertrieben (und oftmals auch eingesetzt) werden kann.

Die Erfüllung harmonisierter Produktstandards ist Voraussetzung für das freie Handeln mit technischen Dämmstoffen in Europa. Händler der Produkte werden ihr Geschäft zukünftig effektiver gestalten können, ohne von nationalen Regelungen behindert zu werden. Fachverarbeiter und Planer werden Vorteile darin finden, ihre Expertise wesentlich leichter über Grenzen hinweg anbieten und einsetzen zu können. Ausschreibungen werden nicht an Landesgrenzen gebunden sein müssen.

Das alles klingt zunächst sehr positiv. Aber obwohl die harmonisierten Standards Produkteigenschaften der Dämmstoffe definieren und dabei helfen, diese technischen Eigenschaften sachgerecht einzuordnen, so liefern diese Normen doch keine Informationen über einzuhaltende Mindestwerte für diese Eigenschaften – und dies auch nicht im Hinblick auf spezifische Anwendungen.

Obwohl das genau so beabsichtigt war – nur technische Eigenschaften zu definieren und nicht Mindestwerte für spezifische Anwendungen zu definieren –, ist dies natürlich schwer vermittelbar und könnte aus Sicht unbedarfter Anwender als „Schwachpunkt des Systems“ gedeutet werden.

Die unterschiedlichen nationalen Regelungen, die z.B. Sicherheitsniveaus oder Energieeinsparvorgaben definieren, werden weiterhin existieren. Folglich werden Hersteller über diesen Weg weiterhin gezwungen, zumindest teilweise nationale Besonderheiten in ihren Produktvarianten zu berücksichtigen.

Dennoch wird professionellen Anwendern technischer Dämmstoffe im Allgemeinen ein höheres Sicherheitsniveau bei Verwendung der Produkte geboten.

Für die Produkteigenschaften (wie Wärmeleitfähigkeit, Wasserdampfdiffusionswiderstand, Brandverhalten, Toleranzen etc.) wird erstmals ein verbindlicher Rahmen festgelegt. Die hierdurch gewonnene Transparenz ermöglicht Verarbeitern einen direkten und schnellen Vergleich der angebotenen Produkte. Es gelten jetzt feste Spielregeln für alle. Daraus ergibt sich auch ein großer Vorteil hinsichtlich der Produkthaftung: In der Vergangenheit war es für die Gerichte bei Schäden oft schwierig, die Einhaltung der zugesagten Eigenschaften nachzuvollziehen. Die europäischen Normen werden es den Gerichten in dieser Hinsicht einfacher machen. Für den Handwerksbetrieb bedeutet das bessere Chancen, Recht zu bekommen. Das gilt gleichermaßen für Versicherungsfälle.

 

Ausblick: Gütesicherung
technischer Dämmstoffe

Zur sachgerechten Umsetzung der europäischen Normen für „Wärmedämmstoffe für die technische Gebäude­aus­rüstung und für betriebstechnische Anlagen in der Industrie“ und Erlangung des CE-Zeichens haben führende Hersteller von technischen Dämmstoffen aus Schaumkunststoffen im Mai 2011 auf Initiative der Firma Armacell (www.armacell.de) den Arbeitsausschuss FEF/PEF unter dem Dach der Güteschutzgemeinschaft Hartschaum e.V. ins Leben gerufen. Mittlerweile sind der Arbeitsgruppe weitere Hersteller beigetreten und die Unternehmen haben sich im Januar 2012 in der Interessengemeinschaft CEFEP (European FEF and PEF Interest Group) zusammengeschlossen. Bereits im vergangenen Jahr hatten die Mitgliedsfirmen Gütebedingungen für Elastomer- und Poly­ethylen-Dämmstoffe verab­schiedet und das RAL-Gütezeichen FEF/PEF eingeführt. Die Vergabe des RAL-Güte­zeichens ist an eine strenge Überwachung der Güte- und Prüfbestimmungen gebunden. Mit der Selbstverpflichtung, die Qualität ihrer Produkte kontinuierlich und unabhängig nach den Statuten des RAL zu überwachen, bekennt sich die Interessengemeinschaft zur Gütesicherung ihrer Produkte. Sie schafft Stan­dards, die über die Mindestanforderungen der europäischen Normenwerke hinausgehen und vermeidet eine Komplexitätserhöhung im europäischen Binnenmarkt durch weitgehenden Verzicht auf freiwillige nationale Zulassungen und Prüfzeugnisse. Das soll eine höhere Transparenz und Sicherheit für alle Branchenteilnehmer schaffen. Unter  Berücksichtigung der Vorgaben der CE-Kennzeich­nungsregeln strebt die CEFEP eine einheitliche Darstellung der „Product designation codes“ an. Gleich­zeitig halten die Mitglieder der Interessengemeinschaft  an einem differenzierten Leistungsspektrum ihrer Produkte und eigenen Marke­tingstrategien fest − unter strikter Wahrung wettbewerbsrechtlicher Aspekte. Die Interessen­gemeinschaft vertritt die Branche in wichtigen europäischen und nationa­len Gremien und möchte Anwendern eine sichere Orientierung bei Aus­wahl und Einsatz der Produkte bieten.

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