Der Chef als Praktikant

Großhändler als Praktikant auf der Baustelle Selbsterfahrung als Schlüssel zum Erfolg

Seit zwölf Jahren ist Rainer Sebastian Chef und Inhaber des Heizungs- und Sanitärgroßhandelsunternehmens Sebastian e.K. in Vilshofen a. d. Donau. 2013 absolvierte er vier Praktika, um sich ein genaueres Bild von der Arbeit „auf der anderen Seite“ zu machen. Jetzt weiß er aus eigener Erfahrung, was es heißt, die Produkte, die er vertreibt, auch einzubauen. Im Interview mit der SHK Profi-Redaktion gab er Einblicke, wie er die Praxis des SHK-Handwerks erlebte.

„Ich habe in den letzten zwölf Jahren etwa 250 000 Heizkörper verkauft, aber jetzt den ersten selbst montiert“, erzählt Rainer Sebastian.

Kundennähe schaffen, aus der Praxis lernen, einen weiteren Schritt in Richtung Verbesserung machen – das waren Rainer Sebastians Ziele, als er sich unter dem Slogan „Sebastian goes Praktikum“ bei zigtausend Installateuren in Deutschland um einen Praktikumsplatz beworben hat.

„Sebastian goes Praktikum“

Im April diesen Jahres startete Rainer Sebastian sein erstes Praktikum bei der Firma Gerhard Trapp GmbH & Co. KG in Hilders. Es folgten drei weitere Praktikumsstellen beim Meisterbetrieb Rolf Exler in Stuttgart, bei Johannes Seeberger Heizung-Sanitär-Solar in Weisendorf und bei der Dipl.-Ing. Bernd Faßbender GmbH & Co., Heizung und Sanitär KG in Bergheim.

Mit der Praxisnähe kam auch die Erkenntnis, was für Handwerker wirklich wichtig ist: so muss die Zeit, in der eine Kundenanfrage beantwortet wird, halbiert werden. „Ich habe erlebt, dass auf einer Baustelle eine Stunde lang alles still stand, weil eine wichtige Info fehlte“, so Sebastian. Die Kommunikationskette niemals abreißen zu lassen, wird daher in Zukunft bei Sebastian höchste Priorität haben. Doch das Praktikum verstärkte beim 37-Jährigen auch noch eine andere Erkenntnis. „Ich habe großen Respekt vor den Frauen und Männern, die auf der Baustelle eine gute Arbeit machen“, sagt er. Für diese Arbeit sei lange nicht jeder geeignet. Um in den Pelletsbunker zu krabbeln, auf dem Gerüst herumzusteigen oder Heizkörper zu schleppen, um nur einige Dinge aufzuzählen, müsse man schon fit sein.

Als Sportler konnte der Praktikant ganz gut mithalten. Tanja Trapp vom Handwerksbetrieb Gerhard Trapp GmbH & Co. KG. beurteilt ihren Praktikanten positiv: „Herr Sebastian ist bei allen Mitarbeitern gut angekommen, war sehr nett und es hat viel Spaß mit ihm gemacht“, berichtet die Tochter des Firmengründer. Als die Trapps Rainer Sebastians Bewerbung erhielten, stand sofort fest: Da machen wir mit. „Wir fanden das einfach eine originelle Idee“, so Tanja Trapp.

„Chef-Praktikant“ im Interview

Welche Erfahrungen und Erkenntnisse Rainer Sebstian sammeln konnte, lesen Sie im nachfolgenden Interview:

In seinem Internettagebuch unter blog.sebastianEK.de können Sie Rainer Sebstians Erfahrungen nachlesen.

Der SHK Profi sprach mit dem Großhandelsunternehmer:

SHK Profi: Herr Sebastian, was ist zukünftig Ihr bevorzugtes Werkzeug? Der Kugelschreiber, um Aufträge für Ihren Großhandel zu schreiben, oder, wie auf einem Ihrer Schnappschüsse zu sehen, der Vorschlaghammer, um Platz für Neues zu schaffen?

R. Sebastian: Platz machen und Wegwerfen ist herrlich, das wirkt auf mich immer so befreiend. Dafür bin ich bei meinen Mitarbeitern gefürchtet, weil ich Dinge, die lange nicht mehr benutzt werden, einfach entsorge. Da kann auch schon mal ein Hammer zum Einsatz kommen. Aber um den Kugelschreiber werde ich auch in Zukunft nicht ganz herum kommen.

SHK Profi: Im Jahr 2000 haben Sie den Sanitärgroßhandel Sebastian e.K. gegründet. 13 Jahre später packten Sie bei mehreren Praktika bei SHK-Handwerksbetrieben tatkräftig mit an, um den Arbeitsalltag Ihrer Kunden genauer kennenzulernen. Warum war jetzt die Zeit reif für die Aktion „Sebastian goes Praktikum“?

R. Sebastian: Alles braucht seine Zeit. Warum mir die Sache gerade jetzt eingefallen ist, kann ich Ihnen auch nicht sagen, aber mir war sofort klar, das musst Du machen.

SHK Profi: Herr Sebastian, Sie bewarben sich für Ihre Praktika bei 50 000 Handwerksunternehmen. Sehen Sie die Maßnahme als reine Werbe-/Marketingaktion oder hatten Sie einfach Angst, keinen Praktikumsplatz zu finden? 

R. Sebastian: Ich muss das hier mal festhalten. Grundsätzlich geht es mir um meine Weiterbildung. Ich will wirklich etwas dazulernen. Wenn es mir nur um die Werbung ginge, hätte ich das auch mit einem Praktikum machen können. Ich habe aber viele gemacht. Das ist ein enormer zeitlicher Aufwand. Ich haben natürlich schnell gemerkt, dass das Thema unsere Kunden und die Branche allgemein interessiert und deshalb ist es ein „bisschen“ größer geworden.

SHK Profi: Im Nachhinein musste das Los unter der Vielzahl der Praktikums-Angebote entscheiden, waren Sie von der hohen Resonanz überrascht?

R. Sebastian: Bei der ersten Bewerbungsrunde wusste ich noch nicht, ob es funktioniert. Nehmen die Leute in den Betrieben dich ernst?  Fühlen sie sich belästigt? Das waren die Fragen, die mir durch den Kopf gingen. Als erstes habe ich auch eine Absage erhalten. Schön zu sehen übrigens in meinem Blog. Aber dann ist der Damm gebrochen. Ob ich überrascht war? Eher erleichtert.

SHK Profi: Ein Chef als Praktikant: Wie sind Sie auf die Idee mit dem Praktikum gekommen? Wie ist diese Aktion überhaupt entstanden?

R. Sebastian: Es war ein Geistesblitz beim Autofahren. Ich hatte einfach die Idee im Kopf und habe sie dann umgesetzt.

SHK Profi: Als Inhaber des Sanitärgroßhandels Sebastian e.K. sind Sie es gewohnt, den Ton anzugeben, als Praktikant haben die anderen das Sagen. Wie sind Sie mit der neuen Situation bei Ihrem ersten Praktikum zurechtgekommen? Wie wurden Sie aufgenommen?

R. Sebastian: Es war ganz angenehm, dass ich mich eben nicht um alles kümmern brauchte. Viele haben die Vorstellung, dass wenn man mal eine Führungsaufgabe übernommen hat, sich nicht mehr unterordnen kann, das war aber kein Problem für mich.

SHK Profi: Sie konnten die tägliche Arbeit der Handwerksbetriebe hautnah erleben. Welche Eindrücke sind Ihnen am stärksten im Gedächtnis geblieben?

R. Sebastian: Die Menschen! Die Menschen haben mich am meisten beeindruckt. Es gab da Szenen, die werde ich meinen Lebtag nicht vergessen. Waren Sie schon mal in einer Messiwohnung? Das müssen Sie mal erlebt haben. Der Monteur, den ich begleiten durfte, war da ganz souverän, hat sich nichts anmerken lassen und seine Arbeit gemacht. Oder die Geschichte mit der Badewanne am Rohbau eines Mehrfamilienhauses, wo darüber diskutiert wurde, wie eine alte gehbehinderte Dame am besten aus der Badewanne kommt und wie diese daher zu setzen ist.

Den Monteuren hätte das auch egal sein können. Aber nein, es war eben nicht egal. Sie haben sich Gedanken gemacht, teilweise sogar auf dem Boden probiert, wie man sicher aus der Badewanne kommt, und dann wurde die Wanne zur absoluten Zufriedenheit der Kundin eingebaut – und sie wird nie etwas davon erfahren. Sowas nenne ich kundenorientiertes Handeln.

SHK Profi: Als Großhandel sieht man häufig nur die blanken Zahlen – z.B. wie viele Duschtassen, Badarmaturen und Heizkörper wurden verkauft. Die Erfahrung, wie viel Schweiß und Arbeit die Installation erfordert, lassen die Zahlen wahrscheinlich jetzt in einem anderen Licht erscheinen. Was bringen Ihnen die Erfahrungen der Praktika für Ihr Tagesgeschäft als Großhändler? Ändert sich dadurch etwas bei Sebastian e.K.?

R. Sebastian: Erst mal habe ich festgestellt, dass wir gar nicht so schlecht sind. Wir sind sogar ganz gut. Ich muss jetzt fast lachen, denn sie verlangen von mir, dass ich Ihnen etwas sage, wo wir bisher nicht so gut waren und eine Lücke hatten, die wir jetzt schließen mussten.

Was wir noch verbessern können, ist der Informationsfluss. Wenn zum Beispiel ein Kunde anruft und ein bestimmtes Maß benötigt, das in unseren Unterlagen nicht enthalten ist, dann werden wir das „noch“ schneller machen als in der Vergangenheit. Die schnelle Beschaffung von Informationen, das hilft unseren Kunden!

SHK Profi: Ob bei der Arbeit im Büro oder auf der Baustelle, ein Faktor kommt bei all dem Zeitdruck häufig zu kurz: Hatten Sie Spaß? Und können Sie einen solchen Perspektivwechsel weiterempfehlen?

R. Sebastian: Ich bin jetzt 37 Jahre alt und seit über 20 Jahren berufstätig. Vor langer Zeit hatte ich einen Beruf, der mir leider keine große Freude bereitet hat. Seit damals mache ich nur noch Sachen, die mir Spaß machen. Es gibt immer wieder Langweiliges und Dinge, die man durchstehen muss,  aber meine Grundhaltung ist da ganz klar: Das Leben ist so wertvoll und gibt so viel her, gerade deshalb sollten wir immer wieder einen Blick über den Tellerrand hinaus werfen.

Vielen Dank für das Interview!

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