Orientierungshilfen bei Demenz

Interview zu Hintergründen & Lösungsansätzen

Im Interview erklärt Architektin Dr. Birgit Dietz die Hintergründe zur Entwicklung des alters- und demenzsensiblen Waschtisches, den sie gemeinsam mit HEWI entworfen hat. Sie ist Lehrbeauftragte an der Technischen Universität München im Bereich Krankenhausbau und Gebäude des Gesundheitswesens und Inhaberin eines Architekturbüros in Bamberg.

SHK Profi: HEWI bietet einen barrierefreien Waschtisch, der über farbige Markierungen verfügt. Welche Funktion hat die farbige Gestaltung?

Dr. B. Dietz: Die Wahrnehmung der Umwelt erfolgt beim Erwachsenen zu mindestens 80% über das Sehen. Doch gerade beim Sehen gibt es im Alter vielfältige Einschränkungen, die die korrekte Wahrnehmung der Umwelt und damit die Orientierung erschweren. Wenn nun also der Eindruck, man stünde wie ein Skifahrer im Nebel, vermieden werden kann und hier der Waschtisch erkannt wird, wird sich der Mensch besser zurecht finden. Er wird auch die markierten Griffe nutzen, so kann sogar die Sturzgefahr verringert werden.

SHK Profi: Wurde die Farbe bewusst gewählt?    

Dr. B. Dietz: Ja! Durch Eiweißablagerungen entstehen im Alter Eintrübungen der Linse. Dadurch werden bestimmte Spektralanteile des Lichtes diffus gestreut. Sie können nicht mehr ungehindert zur Netzhaut gelangen. Farbkontraste, vor allem im Blau-Grün-Bereich werden nicht mehr differenziert wahrgenommen, da sich die Transmissionseigenschaften der Linse gravierend im Bereich des kurzwelligen Lichts verringern. Rot wird am längsten erkannt und hat zudem Aufforderungscharakter.

SHK Profi: Wurde getestet, ob Menschen, die an Demenz leiden, von den Farbmarkierungen geleitet werden bzw. in ihrer Selbstständigkeit gefördert werden?

Dr. B. Dietz: Ja. Mittlerweile wurde hierfür sogar ein Gebrauchsmusterschutz erteilt!

SHK Profi: Ich habe gelesen, für Menschen, die an Demenz leiden, sei die „Milieugestaltung“ vorteilhaft. Es wird dabei eine Umgebung geschaffen, wie sie in jungen Jahren des Betroffenen war. Ist das auch Ihr Ansatz?

Dr. B. Dietz: Wir wollen alle Sinne ansprechen, um eine möglichst korrekte Wahrnehmung der Umwelt zu ermöglichen. Es geht meiner Meinung nach nicht so sehr darum, den Eindruck eines Zuhauses aufzubauen. Es geht vielmehr darum Kompetenzen zu erhalten und das Gefühl von Unsicherheit und Hilflosigkeit zu minimieren. Milieugestaltung weiter gefasst meint eine Anpassung der materiellen und der sozialen Umwelt an die veränderte Wahrnehmung und Kompetenzen. Sie versucht Überforderungsquellen abzubauen, hat also eine ähnliche Zielrichtung.

SHK Profi: Sie unterrichten an der TUM zum Thema Krankenhausbau und Bauten des Gesundheitswesen und forschen schon seit einiger Zeit über alters- und demenzsensible Architektur. Was sind die Schwerpunkte Ihrer Forschungsprojekte?  

Dr. B. Dietz: Im Grunde geht es darum, über den Gebrauch aller Sinne Kompetenzen zu unterstützen, das Gefühl von Inkompetenz möglichst zu vermeiden. Nur so kann das Erleben von Hilflosigkeit und damit Angst minimiert und daraus Resultierendes wie Aggression, Weglaufen, Verstecken und vieles mehr möglichst verringert werden.  Ein Nachlassen der Fähigkeiten auf der einen Seite sollte also auf der anderen Seite das Bemühen auslösen, die Umwelt möglichst verständlich und sicher zu gestalten – einen Beitrag hierzu kann dieser Waschtisch leisten. 

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