Hybridheizsysteme kombinieren • Teil 1: Vorteile und Betriebsarten

Nicht nur bei den Europawahlen hinterließen die unzähligen Medienberichte zum Thema „Klimaschutz“ deutliche Spuren: Bereits im Februar 2019 sprachen sich bei einer vom Bundesverband Solarwirtschaft beauftragten YouGov-Umfrage zwei Drittel der Deutschen dafür aus, dass bei einer Heizungsmodernisierung das neue Wärmesystem zumindest anteilig aus erneuerbaren Energien gespeist werden soll – sofern technisch zumutbar. Zudem dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die Politik handelt und Verordnungen sowie Konzepte zum Klimaschutz und zur CO2-Reduktion vorstellen wird, die auch den Gebäude- und Heiztechnikbereich betreffen. Eine Lösung  könnten Hybridheizsysteme bieten.

Die Spitzenpolitiker sind klug beraten, darauf zu achten, dass mögliche Maßnahmen zur CO2-Reduktion auf eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung treffen. Denn nur dann sind die Bürger und Immobilienbesitzer motiviert, ihr Geld zu investieren. Doch welche Heiztechnikkonzepte eignen sich für die Praxis mit dem Blick darauf, dass sie einerseits den Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen effektiv und effizient mindern, andererseits für den Investor auch wirtschaftlich sinnvoll sind und zudem noch den Nutzern bzw. Bewohnern einen hohen Heiz- und Warmwasserkomfort bieten? Diese Bedingungen erfüllen Hybridheizsysteme sehr gut, weil sie zwei unabhängige Wärmeerzeuger mit unterschiedlichen Vorteilen und Energieträgern kombinieren. Am häufigsten bestehen sie aus einem hocheffizienten Gas- oder Öl-Brennwert-Heizgerät sowie aus einem System auf Basis erneuerbarer Energien. Als geeigneter Partner empfiehlt sich, neben einer Solarthermie-Anlage, zunehmend die Luft-/Wasser-Wärmepumpe.

Generelle Vorteile eines Hybridsystems

Ein Brennwert-Wärmepumpen-Hybridsystem eignet sich sowohl für den Einsatz im Neubau, für größere Objekte mit hohem Warmwasserbedarf, wie Mehrfamilienhäuser, als auch generell im Gebäudebestand. Abhängig vom Gebäude und der Einsatzart bietet es folgende Vorteile:

Die Grundheizlast wird ganzjährig mithilfe einer hocheffizienten Wärmepumpe abgedeckt; das Brennwert-Heizgerät fängt die Spitzenlasten ab.

Hoher und hygienischer Warmwasserkomfort durch den Brennwert-Spitzenlastkessel, der selbst hohe WW-Temperaturen vergleichsweise effizient bereitstellt (z. B. zum Legionellenschutz).

Hohe Betriebsverfügbarkeit und -sicherheit aufgrund der Nutzung von zwei voneinander unabhängigen Wärmeerzeugern (Redundanz).

Es lassen sich sehr flexibel zwei Wärmerzeuger mit unterschiedlichen Heizleistungen, abgestimmt auf das jeweilige Projekt, kombinieren. Auch Kaskadenlösungen sind möglich.

Kühloption im Sommer in Verbindung mit einer reversiblen Luft-/Wasser-Wärmepumpe und einem Flächenheizsystem.

Optional kombinierbar mit Wohnungsstationen zur Heizwärme- und Warmwasserversorgung im Mehrfamilienhausbereich.

Geringere Investitionskosten im Vergleich zu reinen Wärmepumpenlösungen mit hoher Heizleistung.

Vergleichsweise kostengünstige Erfüllung der gesetzlichen Vorschriften von EEWärmeG/EnEV sowie von KfW-Förderbedingungen möglich (bei Neubau und Modernisierung).

Niedrigere Betriebskosten, weil der jeweils günstigere Energieträger genutzt wird.

Hohe Preisflexibilität im Hinblick auf die künftige Entwicklung der Öl-, Gas- und Strompreise (inkl. Nutzung künftiger zeitvariabler Stromtarife).

Optimierung des Eigenverbrauchs von selbst produzierten Photovoltaikstrom mithilfe der Wärmepumpe mittels SG‐Ready oder EEBUS-Schnittstelle.

Kostengünstige Estrichtrocknung mithilfe des Brennwert-Heizgeräts: In der Praxis können erfahrungsgemäß ca. 60 % der Kosten gespart werden. Ein Beispiel: Bei zwei identischen Mehrfamilienhausprojekten mit jeweils acht Wohneinheiten (bei Stuttgart) setzte ein Bauherr in einem Gebäude auf eine reine Wärmepumpenlösung und im zweiten Haus auf eine Hybridlösung. Mit der Hybridlösung konnte im Vergleich zur Wärmepumpenlösung bei der Estrich-trocknung in der kalten Jahreszeit eine Ersparnis von 4.500 € erzielt werden: Es fielen statt 6.000 nur mehr 1.500 € an. Zusätzliche Bautrockner wurden vermieden. Der Bauabschnitt der Estrich­trocknung wurde bereits eine Arbeitswoche schneller abgeschlossen.

Betriebsarten eines Brennwert-Wärmepumpen-Hybridsystems

Bei einem Brennwert-Wärmepumpen-Hybridsystem gibt es hinsichtlich der Wärmebereitstellung drei typische Arten einer bivalenten Betriebsweise: alternativ, parallel und teilparallel. Eine wesentliche Rolle spielen dabei der Bivalenzpunkt (BP) sowie der Abschaltpunkt (AP), zwei feste oder (teil-)variable Außenlufttemperaturwerte, welche projektspezifisch ausgelegt werden:

Bivalent paralleler Betrieb: Oberhalb des BP sorgt nur die Wärme­pumpe (WP) für die Wärmeerzeugung, unterhalb wird das Brennwertgerät gleichzeitig mit der WP betrieben.

Bivalent alternativer Betrieb: Auch hier sorgt oberhalb des BP nur die WP für die Wärmeerzeugung, unterhalb wird nur noch das Brennwertgerät betrieben.

Bivalent teilparalleler Betrieb: Oberhalb des BP ist nur die WP in Betrieb. Zwischen BP und AP sind bei beide Wärmeerzeuger aktiv. Unterhalb des AP wird nur noch das Brennwertgerät betrieben.

Der Systemregler kann den Abschalt- und Bivalenzpunkt nach verschiedenen Kriterien (Führungsgrößen) ermitteln, die sowohl fest als auch variabel sein können. Typische Führungsgrößen sind: Wärmequellen-, Vor‐/Rücklauf- und Außentemperatur sowie eventuelle EVU-Sperrzeiten bei Wärmepumpenstromtarifen. Variable Kriterien können z.B. sein: Photovoltaik-strom-Überschüsse, CO2-Emission und unterschiedliche Energietarife.

Welche Betriebsweise letztlich zur Anwendung kommt, hängt vom konkreten Projekt ab. Um die Zusammenhänge anschaulicher zu machen, werden in Teil 2 des Fachbeitrags zwei Marktsegmente beispielhaft näher betrachtet, die für Brennwert-Wärmepumpen‐Hybridsysteme besonders attraktiv sind – sowohl aus Sicht des Handwerkers als auch aus der des Investors/Hausbesitzers: der Mehrfamilienhaus‐Neubau und die Modernisierung im Eigenheimbereich.

Literatur

[1] Bivalente Wärmepumpen-Systeme, BDH-Informationsblatt Nr. 57, März 2019, www.bdh-koeln.de

[2] Planung und Auslegung des Systems PV-Anlage, Wärmepumpe und Speicherung; BDH-Informationsblatt Nr. 70, April 2018, www.bdh-koeln.de

[3] Wärmepumpen, BDH-Informationsblatt Nr. 25, März 2019, www.bdh-koeln.de


Autor:

Martin Bauer

Wolf GmbH
Mainburg


Teil 2: Hybridheizsysteme in zwei Marktsegmenten

Den zweiten Teil des Fachbeitrags lesen Sie im SHK Profi 2/2020, der am 6. April 2020 erscheint. Er betrachtet beispielhaft zwei Marktsegmente, die für Brennwert-Wärmepumpen-Hybridsysteme besonders attraktiv sind: der Mehrfamilienhaus-Neubau und die Modernisierung im Eigenheimbereich.

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