Von Öl auf Pellets

Wohnungsbaugesellschaft wechselt den Brennstoff

Die Wohnungsbaugesellschaft Villingen-Schwenningen (wbg) modernisiert derzeit sieben mehrgeschossige Gebäude, erneuert in dem Zuge das 47 Jahre alte Nahwärmenetz und stellt von Öl auf Holzpellets um. Eine lohnende Investition für alle Beteiligten.

Die sieben Gebäude der Wohnungsbaugesellschaft Villingen-Schwenningen (wbg) mit insgesamt 64 Wohneinheiten werden modernisiert und energetisch saniert: Die Gebäudehülle erhält Mineralwolldämmung, Fenster werden ausgetauscht und Wärmebrücken durch Erneuerung der Balkone entfernt. Die Aktion begann Anfang 2015 und soll Ende 2017 abgeschlossen sein. Im April 2016 wurden die Kessel ausgetauscht und das Nahwärmenetz erneuert – bei voller Belegung der 64 Wohnungen. Währenddessen war das alte Verteilnetz noch in Betrieb. Den späteren Spitzenlastkessel mit Gas ließen die Verantwortlichen montieren, als der 47 Jahre alte Ölkessel noch die Gebäude mit Wärme versorgte.

Umstellung in der Heizzentrale

Nach präziser Vorarbeit konnte die Umstellung in der Heizzentrale von einem Tag auf den anderen erfolgen. „Das gelingt in dieser Größenordnung nur mit besonders zuverlässigen Firmen“, meint Peter Fürderer, Leiter Bau und Technik bei der Bauherrschaft wbg. Er ist zuständig für die Durchführung dieses dreijährigen Modernisierungsprojekts. „Und natürlich müssen unsere Fachingenieure für Architektur und Haustechnik sehr gut geplant haben.“

Jürgen Kern, Bauleiter des Architekturbüros Behnisch, sorgt u.a. dafür, dass Dämmung und luftdichte Gebäudehülle korrekt ausgeführt werden. „Auch die Balkonplatten mussten von den Geschossdecken getrennt werden, da die Wärmebrücken zu groß waren“, ergänzt er und zeigt beim fertiggestellten Häuserblock die mit Wärmedämmkonsolen an der Fassade befestigten neuen Balkone in Stahlkonstruktion. „Das haben wir ohne Stützpfeiler geschafft“, betont Kern stolz. Er war auch verantwortlich dafür, dass die neuen, recht voluminösen Heizkessel durch eine Verbreiterung des bestehenden Kellerabgangs überhaupt in den Heizraum im Untergeschoss eines der Häuser eingebracht werden konnten.

Während der neu installierte Gas-Brennwertkessel im April 2016 über das kurz zuvor fertiggestellte Wärmenetz die Wohnungen für einige Tage allein versorgte, konnte das „neue Herz“ der Heiztechnik, der künftige Grundlastkessel für Holzpellets, sorgfältig eingebaut und mit dem außen liegenden Pelletspeicher verbunden werden, bevor er regulär in Betrieb ging. Hermann Lehmann, Inhaber der Aicher Haustechnik, der für den Einbau verantwortlich war, zeigte sich sehr zufrieden mit seinen Mitarbeitern. „Der Einbau war schwierig, die Inbetriebnahme eine Freude. Ich hoffe, dass mit unserer Inspektion und Wartung auch dieser Kessel über 40 Jahre gut funktioniert“, so Lehmann.

Obwohl andere Betreiber von Gesetzes wegen nach 30 Jahren den Heizkessel austauschen mussten, konnte die wbg ihren ursprünglichen Ölkessel bei diesem Objekt 47 Jahre lang nutzen. „Das liegt daran, dass er mehr als 400 kW Leistung hatte und damit vom Gesetz nicht betroffen war, solange die Abgaswerte stimmen“, erklärt Fürderer.

Gesetze und Zuschüsse

Maximal 11 % der Investitionen können laut § 559 Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) nach Modernisierung auf die Jahresmiete aufgeschlagen werden. Ein Team von Beratern hat Fürderer die Entscheidung nahegelegt, die KfW-55 Effizienzhaus-Standards zu realisieren. Die bieten bei diesem Objekt das beste Preis-/Leistungsverhältnis sowie die größten Zuschüsse und damit für die Mieter die geringsten Mietsteigerungen. Mehrere Zuschüsse dürfen für die gleiche Sache nicht in Anspruch genommen werden. „Mit KfW-55 sind wir 45 % besser als ein Neubau gemäß Energieeinsparverordnung (EnEV)“, sagt der Fachingenieur für Haustechnik, André E. Schwarz. „Allerdings gehört dazu auch die Blower-Door-Prüfung auf Winddichtigkeit – diese ist aufwendig, da die Tests in bewohnten Räumen stattfinden.“

Die Holzpellets als Brennstoff für den Grundlastbetrieb sind Bestandteil des förderfähigen Gesamtkonzepts „Energetische Sanierung Gebäudehülle-Heizung-Nahwärmenetz“, denn Jahresprimärenergiebedarf und Transmissionswärmeverlust sind die entscheidenden Kriterien. Auch der Austausch der elektrischen Durchlauferhitzer in den Wohnungen durch Warmwasseranschluss an die Trinkwasserstationen mit Pufferspeicher im Keller jedes Hauses gehört dazu. Pro Wohnung erhält die wbg 100.000 € zinsgünstiges Darlehen, bei 64 Wohnungen also 6,4 Mio. €. Die Förderung der KfW macht in diesem Fall bei dem zugesagten Tilgungszuschuss von 27,5 % immerhin 1,76 Mio. € aus.

Parallel zum bundesweit für Neubau geltenden Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) gilt in Baden-Württemberg zusätzlich das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG) für den Bestand. Ziel der Politik ist, die erneuerbare Wärme noch stärker als bisher zu verankern, denn 1,2 Mio. Nachtspeicheröfen und 1 Mio. Ölheizungen waren in diesem Bundesland 2015 noch in Betrieb. Wird z. B. ein Heizungsaustausch fällig, löst das die Wirkung des nur in Baden-Württemberg geltenden EWärmeG aus. Es fordert einen Mindestanteil von 15 % erneuerbare Energie (oder die Energieeffizienz des Bestandsgebäudes mit anerkannten Ersatzmaßnahmen zu steigern). Auch damit hatte die Bauherrschaft kein Problem, da der Grundlastbetrieb der Heizung mit Holzpellets als 100 % regenerativ gilt.

Gründe für Pellets

In Villingen-Schwenningen auf der Ostseite des Schwarzwalds ist Holz – ob als Pellets, Hackschnitzel oder Scheitholz – ein heimischer Rohstoff. Er bringt Vorteile für Umwelt, Klima, Volkswirtschaft und bei Betriebskosten. Dieses Heizmaterial ist nachwachsend, CO2-neutral, trägt zu einer 100 %igen Wertschöpfung im Inland bei und ist für die Kunden preiswerter zu beziehen als die fossilen Brennstoffe aus fernen Ländern. Außerdem besteht nicht das politische Risiko eines Lieferboykotts und Unfälle beim Transport sind weit weniger gefährlich als bei Öl und Gas.

Die Entscheidung gegen Hackschnitzel und für Pellets fiel aufgrund der kompakten Bauform des Kessels und Lagerbehälters, aber auch wegen des geringen Wartungsaufwands. Hackschnitzel bedeuten zwar günstigere Brennstoffkosten, hätten jedoch auch deutlich höhere Wartungs- und Baukosten verursacht – nicht zuletzt durch das im Vergleich zu Pellets drei Mal größere Lagervolumen.

Unterirdischer Speicher

Das unterirdische Lager mit 6 m Durchmesser besteht aus Betonfertigteilen, die zum gewünschten Termin geliefert und innerhalb weniger Stunden vom Hersteller vor Ort fertig montiert wurden. Der Einbauort des Speichers wurde so gewählt, dass zum Heizkessel eine geringe Entfernung besteht und Pelletlieferanten möglichst nah heran fahren können. Je kürzer und geradliniger die Austragung, desto schonender für die Pellets. Entstehen viel Staub und Feinteile, steigt der Wartungsbedarf im gesamten System.

Holzpellets, in Silofahrzeugen als loses Schüttgut mit ca. 650 kg/m³ gebracht, werden mit Luftdruck in den Speicher eingeblasen. Dies geschieht von oben über einen flexiblen Schlauch. Er ist mit dem Befüllstutzen, der sich unter der Abdeckung befindet, durch eine Feuerwehr-Kupplung Storz A verbunden. Ein zweiter Schlauch, parallel dazu am zweiten Stutzen angeschlossen, sorgt für den Druckausgleich und befördert Staub sowie Luft über ein Gebläse in einen Staubsack am Lieferfahrzeug. Der unterirdische Behälter „ThermoPel“ fasst 60 m³. Das entspricht knapp 40 t Füllgewicht bzw. 20.000 l Heizöläquivalent.

Der Speicher hat drei runde Öffnungen mit Stutzen, über die befüllt wird. „So entstehen drei nebeneinander liegende Schüttkegel mit einem Minimum an Hohlraum. Das entspricht dem größtmöglichen Nutzvolumen im Speicher“, beschreibt Clemens Hüttinger, Produktmanager beim Hersteller Mall (www.mall.info), die Besonderheiten des Brennstofflagers. Vorab wird vom LKW-Fahrer die rechteckige Einstiegsluke geöffnet, das Austragsystem Maulwurf nach oben gezogen und dort während des Einblasens fixiert. Die Speichergröße und die eingebaute Füllstandskontrolle ermöglichen der wbg als Betreiber per Datenfernübertragung nachzubestellen, schon lange bevor der Brennstoff aufgebraucht ist. Besonders kostengünstig ist, wenn der Inhalt eines kompletten Silofahrzeuges, je nach Typ 18 – 24 t, geliefert werden kann.

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