Lebensraum Bad

Entscheidende Bedürfnisse / Drei Badprojekte / Viele Denkanstöße

Wer die Frage stellt, wohin sich das Badezimmer entwickelt, erhält oft eine scheinbar universelle Antwort: „Es wird schöner, exklusiver und komfortabler.“ Das trifft zwar zu, greift aber zu kurz. Deshalb lohnt es sich, fernab von gängigen Design- und Stildiskussionen grundsätzlich auch darüber nachzudenken, wie und wozu die Menschen das Bad eigentlich nutzen bzw. nutzen wollen. Auf dieser Basis wirft das Projekt „Pop up my Bathroom“ (www.pop-up-my-bathroom.de) einen durchaus mutigen Blick in die Zukunft.

Wesentlicher Ansatz der gemeinsamen Initiative der Messe Frankfurt und der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS) war es, individuelle Badbedürfnisse zu ermitteln und daraus generelle Tendenzen abzuleiten. Dabei kristallisierten sich drei Grundströmungen heraus.

Trend: Mehr Platz

Schon die bewusst gewählten, ungewöhnlichen Orte der Foto­shootings dokumentierten ihren zumindest zum Teil visionären Charakter. Denn: Bäder auf einem Parkhausdach, in einem Biergarten oder in einem LED-illuminierten Aussichtsturm aufzubauen und abzubilden, gehört nicht gerade in die Kategorie „Normalität“. Bei aller Unterschiedlichkeit verbindet die Trendrichtungen, dass sie mehr Platz erfordern. Die aktuelle statistische Durchschnittsgröße eines deutschen Badezimmers von 7,8 m² genüge daher nicht, um die im Folgenden porträtierten Wünsche an das Bad von morgen er- und ausleben zu können.

„Bathroom Bubble“:
Anker im Leistungsmeer

Als quasi zeitloser, intimer Ort bewirkt das Bad einen wohltuenden Ausgleich zur Repräsentationskultur mit ihrem (vermeintlichen) Zwang zu permanenter Profilierung. Immer mehr geraten auch Wahl, Gestaltung und Einrichtung der Wohnung in den Fokus. Verstärkt resultiert daraus das Gesamtbild, das sich Freunde, Bekannte und nicht zuletzt Arbeitskollegen machen, die in wachsendem Maße Zugang zur Privatwelt erhalten. Die Verbreitung von Homeoffices ist nur ein Grund für diese langfristige Entwicklung, die große Teile des gesellschaftlichen Lebens beeinflusst. Deshalb gewinnt das Bad als fast letzter Rückzugsort künftig noch mehr an Bedeutung für das persönliche Wohlbefinden.

Bei „Bathroom Bubble“ geht es im Kern um die Idee eines Raumes im Raum, der einer Kapsel unter der äußeren Hülle ähnelt. Dabei kann – und soll sogar – das Badezimmer in punkto „Repräsentativität“ das gleiche hohe Niveau wie die übrige Wohnung haben. Dafür sorgen schon die eigenen Komfort- und Ästhetik­ansprüche des Nutzers, der die im Bad verbrachte Zeit natürlich genießen will. Allein sein und das Alleinsein zelebrieren – so lautet daher hier die Devise. Dabei ist es nicht nur die Abgeschlossenheit des Raumes, die ein „Fallenlassen der Maske“ ermöglicht. Hinzu kommt die rituelle Funktion des Elementes Wasser: Es reinigt, befreit und regeneriert.

Dieses Badkonzept ordnet mithin alles den jeweiligen Bedürfnissen des Einzelnen unter. Es schafft bewusst Grenzen in einer ansonsten zunehmend entgrenzten Umwelt. Der „Bathroom Bubble“ gewährleistet Ruhe, Abgeschiedenheit und auch die Muße für neue Ideen. Nicht umsonst behaupten viele Kreative, unter der Dusche die besten Einfälle zu haben.↓

Die positiven Effekte entstehen durch eine separierte, künftig eventuell sogar schallgedämmte, Schutzatmosphäre und durch Emotionalität. Das Bad muss Geborgenheit vermitteln. Sie resultiert aus der „Vernetzung“ von Produktästhetik und -funktionen sowie dem geschickten Zusammenspiel von Farbe, Material und Form. So individuell wie der Mensch, so individuell präsentiert sich auch das Bad. Dabei gibt es kein Stildiktat.   

„Bathroom (R)Evolution“:
Intelligente Technik verwöhnt

Design hat das Badezimmer verändert, es ästhetischer, genuss­orientierter und wohnlicher gemacht. Aber nun steht das Bad mit der Integration neuer Materialien und Technologien am Beginn der nächsten Ära. Es wird Zeit, sie intensiv vorzubereiten und zu begleiten. Denn: Wie in keinem anderen Wohnraum geht es im Bad um die intelligente Gestaltung der Schnittstelle Mensch–Technik. Eines scheint klar: Das Bad der Zukunft wird bei Sicherheit, Komfort und Individualisierung keine Kompromisse dulden.

Schon heute träumen viele von einem Bad, das sie morgens mit einem angenehm warmen Ambiente empfängt und sanft auf den Tag einstimmt. Vorgeheizt, mit nicht zu greller Beleuchtung, mit der Lieblingsmusik aus dem Radio. Am Abend wartet das gleiche Bad mit entspannendem Licht, programmierter Duschsequenz oder mit einer sich automatisch per Knopfdruck füllenden Badewanne auf den Heimkehrer.

„Bathroom (R)Evolution“ verkörpert eine von den individuellen Bedürfnissen der Menschen „gelenkte“ Einheit. Digitale Technologien helfen dabei ebenso wie intelligentes Produktdesign, das sich – wenn nötig – auch extrem schlank macht. Und: Es bietet dem Auge ebenso Halt wie tastenden Händen oder unsicheren Beinen. Zuverlässige Sicherheit ist nach der Hygiene das zweitwichtigste Bedürfnis. Dann folgen Komfort, Intimität und Erlebnischarakter.

Nicht umsonst ist Barrierefreiheit in aller Munde. Sie dient nicht nur der Sicherheit sämt­licher Badnutzer, sie macht zudem selbstständiges Leben als ein Grund­bedürfnis gerade älterer Menschen oft überhaupt erst möglich. Insofern verändert dieses Badkonzept das bisher gültige Hierarchieschema, indem es Ergonomie auf das Bad als Ganzes bezieht.

Dabei stellt die rasante Technisierung des täglichen Lebens ergonomisch gutes Design vor große Herausforderungen. Intelligente Technik, das heißt Wohnkomfort in einer früher für undenkbar gehaltenen Dimension. Intelligente Technik heißt aber auch neue Probleme etwa bei der Bedienbarkeit. Sogenanntes Interface-Design, und damit die Gestaltung von Benutzeroberflächen, wird nicht nur bei Computern und Displays, sondern auch speziell im altersgerechten Bad zur Aufgabe.

Last but not least: „Bathroom (R)Evolution“ ist multimedial. Beispiel „Spiegelschrank“: Er könnte sich neben seiner klassischen Funktion künftig als Datenbank bewähren, in der u. a. medizinische oder kosmetische Informationen gespeichert und abzurufen sind. Aber: Nicht jeder technische Gag macht auf Dauer Sinn.

„Busy Bathroom“: Offen für Kommunikation

Was der sanitäre Raum in der Tradition der europäischen Badehäuser war, ist er in Kulturen wie dem Hamam heute immer noch: ein Ort der Begegnung. Im Bad der Zukunft könnte sich Geschichte wiederholen. Schon jetzt zeigt sich das Bad zunehmend offen für andere Bereiche – das Schlafzimmer, den Wohnsektor oder sogar den Garten. So weit muss innovative Badplanung vielleicht nicht gehen. Aber die gedankliche Nutzung des Raumes für mehrere Personen gleichzeitig erscheint ebenso geboten wie konsequent. „Busy Bathroom“ definiert sich also als ein geschäftiges, buchstäblich lebendiges Bad.

Ähnlich wie die Küche ist das Bad ein Ort täglicher Routinen, in dem neben existentiellen auch kommunikative, soziale Bedürfnisse erfüllt werden. Aber es geht auch um die ganz banale tägliche Kommunikation. Im Bad klärt man morgens Routineangelegenheiten, tauscht Informationen aus und vermittelt Pflegetipps, es wird gemeinsam geduscht und gebadet und es entsteht hier das möglichst perfekte Outfit für Beruf und Freizeit. Kein Wunder, dass sich Großraumduschen, Doppelbadewannen und -waschtische bereits steigender Beliebtheit erfreuen. Die so interpretierte und praktizierte Kommunikation erweist sich als wichtiges Element des körperlichen und seelischen Wohlbefindens.

„Universal Design“ als Leitprinzip erhält deshalb eine neue Aktualität. Es eignet sich nicht nur für das Generationenbad, sondern trägt auch dazu bei, den Raum für einen realen Treffpunkt für Jung und Alt zu schaffen.

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