Effizient versorgt

Wärmepumpe fürs Hausboot

Innovative Lösungen

Zukunftsgerichtete Wärmelösungen sind vor allem eines: variabel. Und sie werden mit den Systemen für eine effiziente Verteilung eng vernetzt sein, um eine noch bessere Abstimmung auf die Nutzergewohnheiten zu erreichen. In Kalkar steht ein solches Zukunftshaus – oder besser: es schwimmt. Das Gebäude wird beheizt über eine Sole/Wasser-Wärmepumpe.


Kalkar am Niederrhein ist eine Stätte zukunftsorientierten Denkens und Entwickelns – zumindest, wenn man ein auf dem Kiesbaggersee Birgelfeld realisiertes Haus-Projekt als Maßstab nimmt. Zum einen steht das Haus auf dem See für ein neues Kapitel der Siedlungsentwicklung am Nieder­rhein. Denn hier hat die Stadt Kalkar erstmals privatwirtschaftliche Interessen – die Erweiterung der Kiesgrube – mit gesamtgesellschaftlichem Mehr­wert – der Erschließung eines umweltfreundlichen Wohnquartiers – verbunden. Entwickelt hat den Masterplan für dieses Quartier das Architekturbüro Hülsmann & Thieme aus Kleve. Die beiden Architekten planten auf und um den See vier konzentrische Bebauungszonen mit zweigeschossigen Objekten für den äußersten Ring, nach innen abstufend über die Uferrandbebauung bis zu den schwimmenden Bungalows auf dem See.

Zum anderen steht das schwimmende Objekt als „Plus-Energie-Haus“ mit seiner intelligenten Gebäudetechnik für das Potential, das heute schon für energiesparendes und damit ressourcenschonendes Wohnen genutzt werden kann. Der Eingriff in die Natur wird also direkt ausgeglichen. Dipl.-Ing. Architekt Friedhelm Hülsmann: „Die architektonische Gestaltung des Hauses war nur die eine Herausforderung, die Lösung der technischen Infrastruktur die andere, aber die viel größere.“

Woher dieses konzeptionelle Ungleichgewicht kommt, lässt sich vergleichsweise leicht nachvollziehen: Die Gestaltung der Gebäudehülle und der Energieverbrauch eines Objektes hängen bspw. über die Umfassungsfläche direkt zusammen. Die Architektur des schwimmenden Hauses war also schon weitgehend von selbst als gradlinig-schnörkelloser Kubus definiert.

 

Ver- und Entsorgung des Gebäudes

Ganz anders hingegen das Thema „Ver- und Entsorgung des Gebäudes“. Die dafür notwendige Infrastruktur ist bekanntlich in aller Regel leitungsgebunden – die klassische Herangehensweise mit konventionellen Hausanschlüssen etc. hatte sich also von selbst erledigt. Womit, losgelöst von der ohnehin gegebenen Intention, auch die Steilvorlage für eine autarke Wärme- und Stromversorgung gegeben war. Heute versorgen bspw. drei verschiedene Photovoltaik-Systeme mit insgesamt 40 m² Fläche das Haus mit Strom. Drei verschiedene Systeme, weil das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) sowie die RWE Effizienz GmbH mit im Boot sind, die unterschiedliche Forschungsprojekte verfolgen. Bei den PV-Systemen geht es u.a. um die Frage, welche Positionierung die besten Erträge bringt: an Land, drehbar aufgeständert auf dem Dach oder senkrecht im Reflexionsbereich des Wassers.

 

Sole/Wasser-Wärmepumpe

umgebaut

Die Wärmelösung für das schwimmende Einfamilienhaus ist nicht weniger anspruchsvoll; entwickelt hat sie Dipl.-Ing. Andreas Schwalger von bascon engineering aus Goch. Dass als Aggregat nur eine Sole/Wasser-Wärmepumpe mit einem Wärmekorb als Wärmetauscher infrage kam, stand dabei früh fest. Denn mit dem Strom über die PV-Module auf der einen Seite und dem hohen Wärmepotential des Sees auf der anderen wäre jede alternative Lösung von vornherein ineffizienter gewesen. Schwalger: „Der See hat durch seine Verbindung zum Rhein in 4 m Tiefe ganzjährig fast immer mindestens 7° C, das garantiert optimal gleichbleibende Entzugsleistungen. Auf diese selbst im kalten Winter kaum unterschrittene Wassertemperatur ist auch die Wärmepumpe abgestimmt. Bei etwa 16° C liegt die höchste Leistungsausbeute.“

Viel regenerative Umweltwärme im See, mit einem Heizwärmebedarf von 14 kWh/m²a, dafür wenig Bedarf im Haus – für dieses Verhältnis wäre sogar die kleinste Sole/Wasser-Wärmepumpe „geoTherm“ überdimensioniert gewesen. Standard sind 6 kW Heizleistung, benötigt werden beim energiesparenden See-Wohnen nur 2 kW. Zugute kam Schwalger seine Ausbildung ebenso wie seine Tätigkeit bei einem Hersteller solcher Anlagen: Er baute die Vaillant-Wärmepumpe um.

Die Eingriffe waren weitgehend, betrafen bspw. die Stromversorgung ebenso wie das Kältemittel oder das Expan­sionsventil. Andere Komponenten, darunter die gesamte Regeltechnik, konnten wieder serienmäßig übernommen werden. Unter dem Strich ist dieser Aufwand zwar nicht zur Nachahmung empfohlen, hat sich für Schwalger aber gelohnt: „Der Umbau war mir wichtig, um die Wettbewerbsfähigkeit dieser Technik im Vergleich zu den sonst üblichen Gasheizgeräten als Wärmequelle aufzuzeigen.“

 

Durchdachte Systemtechnik

Das ist dem Ingenieur mit SHK-handwerklichen Wurzeln aus dem niederrheinischen Goch auf jeden Fall gelungen. Denn seit der offiziellen Einweihung des Hauses im Herbst vergangenen Jahres läuft die Wärmepumpe mit der erwarteten Wärmeleistung einwandfrei; Schwalger geht von einer Leistungszahl aus, die nahe an die 7 herankommt. Gepuffert wird die aus dem See gewonnene Wärme in einem 500 l-Multifunktionsspeicher, über den auch die Trinkwasserversorgung erfolgt.

Die Wärmeverteilung im hochgedämmten Haus auf dem See geschieht über ein Flächentemperiersystem sowie spezielle Wärmepumpenheizkörper. Wie konventionelle Konvektoren aufgebaut, verfügen sie zusätzlich über kleine Ventilatoren, um trotz der geringen Vorlauftemperaturen die für die Wärmeverteilung notwendige Konvektion sicherzustellen. Die Beheizung wahlweise mit den Konvektorheizkörpern oder mit der Flächentemperierung zu fahren, ist im schwimmenden Musterhaus auf dem See bei Kalkar gewollt: Über entsprechende Messreihen soll auch hier untersucht werden, welche Variante der Wärmeverteilung die effizienteste ist.

Sollte sich allerdings das schwimmende Gebäude im Sommer zu stark aufheizen, wird der Kältekreislauf der Wärmepumpe automatisch umgangen. So kann das Haus mit minimalem Energieaufwand passiv gekühlt werden. Der Wärmekorb gibt dann die Wärme aus dem Gebäude direkt an das Seewasser ab. Das Tauwasserproblem während der Kühlung wird durch die in der Wärmepumpe integrierte Regelung im Heizsystem mit einer Mindest-Vorlauftemperatur von 18° C umgangen.

Realisiert hat die komplette Wärmetechnik im schwimmenden Einfamilienhaus die Schwalger  Energie- und Wassertechnik GmbH (Goch-Pfalzdorf) – das vereinfachte die Vernetzung der  einzelnen Systeme untereinander ebenso wie bspw. die bedarfsgerechte Konstruktion des Wärmekorbs; der wurde selbst gebaut.

 

Europaweites Interesse

Wie groß die Ausstrahlung des neuen Forschungsprojektes in Kalkar ist, zeigt das Interesse der Fachleute aus ganz Europa. In der Lausitz sollen die am Niederrhein gewonnenen Erkenntnisse beispielsweise unmittelbar in das Projekt „Schwimmende Bauten“ einfließen, das als Wohnmodell in den erschöpften und teilweise schon gefluteten Braunkohle-Tagebaugebieten umgesetzt wird.


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