Wärmepumpe in der Altbausanierung

1930er-Jahre-Zweifamilienhaus wird rechnerisch nahezu energieautark

Die ruhige Lage mitten im Grünen, trotzdem sind Städte wie Bielefeld oder Hannover innerhalb kürzester Zeit erreichbar, dazu ein großzügig angelegtes Grundstück – für Christian und Melanie Benthin waren das mehr als genug Gründe, das Elternhaus aus den 1930er-Jahren in Ostwestfalen sukzessive auszubauen, zu verschönern und gleichzeitig energetisch ressourcenschonender aufzustellen. Jetzt sogar bis hin zur rechnerischen „Fast-Energieautarkie“ über eine Kombination aus Wärmepumpen- und PV-Anlage.

Wie außergewöhnlich das ist, wenn ein solches Nachhaltigkeitsziel ohne aufwändige Dämmung der Gebäudehülle erreicht wird, zeigt nicht zuletzt das große Interesse der Nachbarn von Familie Benthin, seit die dachfüllende PV-Anlage und die Wärmepumpen-Kaskade mit dem elektrischen Spitzenlastkessel in Betrieb ist. Für Marcus Zimmermann hingegen, Technischer Leiter der Jörg Stenzel Haustechnik, ist die Anlagenkonfiguration der beste Beweis, dass selbst energetisch schwierige Bestandsobjekte auf nachhaltige Heiztechnik (in diesem Fall auf eine Luft/Wasser-Wärmepumpe als primäre Heizquelle) umgerüstet werden können – wenn nur das dahinterstehende Konzept passt: „Bei solchen Sanierungsprojekten ist es zwingend notwendig, das Gebäude und die bestehende Wärmeverteilung, aber auch das Nutzerverhalten immer als Ganzes zu betrachten. In diesem Falle also zum Beispiel eine vergleichsweise schlecht gedämmte Gebäudehülle und die alten Heizkörper sowie zwei Familien mit zusammen vier Personen für die Wärme- und Warmwasserlasten, gleichzeitig aber auch die riesige, optimal ausgerichtete Dachfläche als mögliche Bezugsquelle für die kostenlose Energie der Sonne über Photovoltaik.“

Ein ganzheitliches Konzept ist entscheidend

Denn genau an der Frage dieser ganzheitlichen Betrachtung, der zugegebenermaßen aufwändigen Entwicklung von ressourcenschonenden Energiekonzepten vor der Entscheidung von Bauherren für eine regenerative Heizungsanlage scheitern bislang noch viel zu viele Sanierungsvorhaben, ist Zimmermann überzeugt: „Gerade in den ländlichen Regionen mit den typischen Ein- und Zweifamilienhäusern, die wie in diesem Fall oft noch über alte Ölkessel befeuert werden, ist das Potenzial für die Umstellung auf erneuerbare Energien eigentlich riesig. Dass hier trotzdem noch bei weitem zu wenig Wärmepumpen eingebaut werden, liegt häufig an der diffusen Angst der Heizungsbauer wie der Endkunden, dass die Wärmeleistung nicht erreicht wird.“

Doch diese Angst ist – wie es sich nun am Beispiel des Objekts Benthin zeigt – definitiv unbegründet, wenn zum einen kreativ die Möglichkeiten von Wärmepumpen, zum anderen die weitestgehende Unterstützung durch PV ausgereizt werden. „Deswegen haben wir als Stenzel Haustechnik jetzt auch als zweites Standbein den Geschäftszweig ,Solar Fuchs‘ gegründet. So wird für jeden Hausbesitzer auf Anhieb deutlich, wo wir konzeptionell unseren Schwerpunkt haben – und wie wir über die kostenfreie Umweltwärme zukunftsweisende Heizsysteme aufstellen, weil die Sonne keine Rechnung schickt.“

Große PV-Anlage plus Wärmepumpen-Kaskade

Im Hause Benthin bedeutete das ganz konkret als Erstes die Installation einer 25-kWp-PV-Anlage. Ob die großen Erker, das Carport-Dach oder der Weg zur Haustür – wo nur irgend möglich, hat Stenzel Haustechnik die Vaillant PV-Module montiert. „25 kWp ist für ein Zweifamilienhaus sportlich“, räumt Zimmermann ein. Aber: „Dieser kostenlose Strom ist für uns die Basis für das Gesamtkonzept, nicht nur Heizung und Warmwasserbereitung, sondern auch möglichst viele weitere Anwendungen elektrisch idealerweise komplett aus eigenen Erträgen zu speisen. Und dazu gehört für uns die Wärmepumpe „aroTherm“ plus als elektrische Heizung, ein 20-kWh-Batteriespeicher sowie nicht zuletzt der 9-kW-Elektroheizer „eloBlock“ als Backup, um beispielsweise eventuelle Spitzenlasten abzudecken.“

Damit eine solche Anlagenkombination im Zusammenspiel optimal funktioniert, hat sich Stenzel Haustechnik für die Zusammenarbeit mit Vaillant als Komplettanbieter entschieden. Die Wärmepumpenkaskade mit zusammen 18 kW Heizleistung kommt dabei wie auch der 500 l-Pufferspeicher aus dem eigenen Haus, die PV-Anlage mit Wechselrichter und Batteriespeicher wiederum vom Marktpartner SolarEdge bzw. BYD. „Eine solche Kooperation zahlt sich für uns in der Praxis doppelt aus. Zum einen stimmt die Qualität der Einzelkomponenten, und zum anderen wissen wir, dass deren Zusammenspiel funktioniert. In diesem Fall bis hin zum Lastmanagement durch den Wechselrichter, der auch die Wärmepumpen ansteuert. Oder die überschüssige Energie in den Batteriespeicher schickt. Oder, wenn dieser vollgeladen ist, wahlweise den Elektroheizer zum Aufheizen des Speicherwassers nutzt, wenn nicht gerade die Elektroautos per intelligenter Wallbox geladen werden können“ so Zimmermann.

Ziel sei es in jedem Fall, möglichst viel des selbst erzeugten Stroms auch direkt vor Ort zu nutzen: „Die Gesamtinvestition im mittleren fünfstelligen Bereich rechnet sich dadurch problemlos innerhalb von etwa zehn Jahren, denn die Strompreise steigen ja seit vielen Jahren kontinuierlich an. Hinzu kommt, dass wir mehr als 30 % der Investitionssumme über verschiedene Förderprogramme refinanzieren konnten, was die Entscheidung von Familie Benthin für die nachhaltige Wärmetechnik natürlich zusätzlich motiviert hat.“

Anlagenkombination individuell abstimmen

Deutlich werde an den Stichworten „Anlagenkombination“ und „Förderung“ aber zugleich, wie wichtig für investitionsbereite Endkunden ein umfassend aufgestelltes Haustechnik-Unternehmen als Ansprechpartner sei, so Zimmermann: „Die besten Anlagenkomponenten und die schönsten Förderanträge nutzen wenig, wenn die Dinge nicht von Anfang an aufeinander abgestimmt sind. Daher stecken wir auch im Vorfeld viel Energie in eine umfassende Kundenberatung vor Ort. Dort können wir uns ein Bild von den technischen Rahmenbedingungen machen und die Hausbesitzer zum Beispiel darüber aufklären, inwiefern beim Umstieg auf die Wärmepumpen-PV-Kombination vielleicht noch die Energieeffizienz steigernde Umfeldmaßnahmen notwendig sind.“ Erst dann ergebe sich ein tragfähiges Gesamtpaket, auf das sich entsprechend die Förderanträge abbilden lassen: „Die Heizungsumrüstung auf nachhaltige Quellen muss für die Hausbesitzer technisch wie wirtschaftlich gleichermaßen stimmen, sonst ergibt das ganze Projekt keinen Sinn“.

Ein Wert, der diese Sinnhaftigkeit belegt, ist für Stenzel Haustechnik dabei selbstverständlich die Jahresarbeitszahl (JAZ) der Wärmepumpen-Kaskade. Ohne Umbauten an der Wärmeverteilung – vorhandene Heizkörper mit einer Vorlauftemperatur von etwa 48 °C; lediglich im Bad gibt es eine kleine Flächenheizung – erwartet Zimmermann hier einen Wert von etwa 4,1. Das heißt, aus einem Teil elektrischer Antriebsenergie werden vier Teile Nutzenergie erzeugt: „Noch ist dieser Wert ein rein rechnerischer. Nach dem ersten Winter, den wir für die Feinjustierung der Anlage nutzen, werden wir nachkalkulieren. Und selbst, wenn dann ‚nur‘ eine JAZ von 4,0 oder 3,9 erreicht wird, kann das für solch ein Objekt nur als Erfolg gewertet werden“, zeigt sich Zimmermann von der Leistungsfähigkeit dieser Anlagenkombination überzeugt.

Denn eines, so der Haustechnik-Profi, stehe unabhängig von den Nachkomma-Stellen der JAZ schon jetzt fest: „Es gibt definitiv keinen Grund mehr, energetisch vermeintlich schlechter aufgestellte Bestandsgebäude wie das Haus von Familie Benthin nicht auf nachhaltige Wärmetechnik mit einer Wärmepumpe oder einer Wärmepumpen-Kaskade umzustellen. Durch die PV-Unterstützung erreichen wir nicht nur die benötigte Wärmeleistung, sondern machen uns im rechnerischen Jahresmittel energetisch zudem weitestgehend unabhängig. Angesichts der vielen zehntausend Wohngebäude im Lande, die älter als dreißig oder vierzig Jahre sind und von denen viele einen überdurchschnittlich hohen Energiebedarf haben, ist das ein starkes Zeichen, dass die politisch gewollte Energiewende auch im Gebäudebestand tatsächlich erfolgreich umgesetzt werden kann.“

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